: Personalabbau in öffentlichen Bibliotheken vorerst abgewendet
■ Koalitionsfraktionen einigen sich auf Dringlichkeitsantrag
Berlin. Der umstrittene Personalabbau in den rund 270 öffentlichen Bibliotheken Berlins scheint vorerst abgewendet. Die Koalitionsfraktionen CDU und SPD haben sich auf einen gemeinsamen Dringlichkeitsantrag geeinigt, gegenwärtig keine Entscheidung über Einsparungen zu treffen.
Wie das Mitglied des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses Charlotte Wegener (CDU) gestern bei einem Kolloquium der Bibliotheksverbände mitteilte, sollen Stellenstreichungen erst nach Auswertung des Bibliotheksentwicklungsplans geprüft werden. Dieser werde derzeit von Vertretern der Senatskulturverwaltung und von Bibliotheken sowie Volksbildungsstadträten erarbeitet und muß dem Abgeordnetenhaus bis Ende Juni 1993 vorgelegt werden. Der CDU-SPD-Antrag werde vermutlich in der nächsten Sitzung des Parlaments behandelt.
Während des Kolloquiums von Vertretern der Bibliotheksverbände, Kommunalpolitikern und Abgeordneten wurde nochmals auf die verheerenden Folgen eines Abbaus von 300 Stellen bis 1997 aufmerksam gemacht. Nach Aussage der Landesvorsitzenden des Vereins der Bibliothekare an Öffentlichen Bibliotheken, Marion Höppner, müßten etwa 100 Einrichtungen geschlossen werden. Außerdem würde ein solcher Sparbeschluß zur Reduzierung der Öffnungszeiten um rund 2.000 Stunden pro Woche und damit zu Einschränkungen beim Veranstaltungsangebot führen. Die materiellen Verluste gingen in Millionenhöhe, darunter durch das Verschenken oder Vernichten von rund 3,3 Millionen Büchern, Zeitschriften und weiteren Medien, die bei Schließung einer Einrichtung aus Raumnot nicht verlagert werden könnten. Ein solcher Schritt wäre angesichts von Rechtsradikalismus und zunehmender Gewaltbereitschaft insbesondere unter der Jugend „verantwortungslos“, erklärten Volksbildungsstadträte.
Die kontroverse Diskussion um die Zukunft der Bibliotheken war ausgelöst worden, nachdem der Senat im August vergangenen Jahres einen Prüfauftrag über mögliche Einsparungen in diesem Bereich erteilt hatte. Danach müßte etwa ein Viertel der 1.175 Beschäftigten entlassen werden. ADN
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