: Viel Hiebe statt Liebe
■ Ehefau wehrte sich mit dem Messer / Statt Notwehr heißt das Totschlag
heißt das Totschlag
Wenn es um Vergehen von Polizisten geht, zeigt Staatsanwalt Joachim Dreyer Milde und stellt die Verfahren ein. Wenn eine Frau ihren Ehemann aus Notwehr ersticht, ist Dreyer unnachgiebig. Seit gestern muß sich die 27jährige Petra Kramer* vorm Hamburger Schwurgericht wegen „Totschlags“ (!) verantworten.
Petra Kramer ist eine Frau, wie ein Mann sie sich wünscht: Attraktiv, aufgeweckt, intelligent. Aus Liebe zu ihrem Ehemann Andrew nahm die Rechtsanwaltsgehilfin sogar in Kauf, daß er sie im Zorn gelegentlich schlug. Petra Kramer: „Ne Ohrfeige hab ich ihm auch schon mal gegeben.“ Sie hatte ihren Mann mit 17 Jahren kennengelernt und schnell geheiratet. Anfang 1992 gab es geschäftliche Probleme: „Er bekam Druck von oben.“ Den er weitergab — die Streits nahmen zu, gerade wenn er Alkohol getrunken hatte. „Er wurde immer aggressiver.“
Deshalb schlug Petra Kramer 1992 die Trennung vor: „Ich hätte damit wohl weiterleben können, aber nicht die Kinder.“ Doch sie blieb, auch als er einen Flirt mit Susanne Karl* anfing. „Ich war natürlich eifersüchtig.“ Irgenwann ging es aber nicht mehr so weiter. Und dann nahte der verhängnisvolle Pfingstsonntag 1992. „Wir hatten am Vorabend besprochen, daß wir es nochmal versuchen.“ An jenem Abend kamen Susanne Karl und ihr Mann zu Besuch: Petras Aufforderung „Trink nicht so viel“ hatte ihr Mann in den Wind geschlagen. Und: Beschwipst flirtete er erneut. „Ich war natürlich wahnsinnig verletzt.“ Petra Kramer ließ sich nichts anmerken.
Der Abend gipfelte in Demütigungen. Beide Männer würfelten um beide Frauen. Andrew gewann. „Er hat sehr verbissen gespielt.“ Auch diese Kränkung schluckte sie noch. „Gegen drei Uhr gingen wir gemeinsam ins Bett.“ Und dann platzte es doch aus ihr heraus: „Ich lag in seinem Arm und sagte: ,Das fand ich nicht fair.‘“ Daraufhin sei ihr Mann ausgeflippt. Andrew Kramer sprang auf und schmiß ihre Kleider aus dem Schrank und schrie: „Dann hau' doch ab!“ Petra Kramer: „Ich reagierte nicht, ich wollte keinen Streit.“ Selbst als der Tobende ihr die Kleider zerriß. „Plötzlich zog er mich an den Haaren aus dem Bett und schleifte mich ins Wohnzimmer.“ Dort prügelte er mehrfach auf sie ein. Die Kinder hätten vor Angst geschrien. Als sie mit den Kids flüchten wollte, schloß ihr Mann die Haustür ab, nahm ihr Schlüssel und Geld weg. Nun bewarf er auch die Kinder mit Gegenständen. „Ich sagte, bitte, bitte, hör auf!“
Als Petra die Polizei holen wollte, schlug er mit einem Bügelbrett: „Ich bin in die Küche gerannt und habe ein Messer geholt. Ich hatte Angst und wollte ihn damit einschüchtern.“ Denn körperlich konnte die schlanke 1,72 Meter große Frau gegen ihren 90-Kilo- Mann nicht viel ausrichten. Als sie um die Ecke gekommen sei — mit dem Messer in der Hand —, stürzte sich ihr Mann auf sie — torkelte dann zurück. „Ich dachte, der spinnt. Ich hab nicht einmal einen Stich gemerkt.“ Ihr Mann hatte eine tiefe Stichwunde, starb im Krankenhaus. Petra Kramer: „Ich wollte ihn nicht verletzten.“ Der Prozeß wird fortgesetzt. Kai von Appen
*Namen geändert
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