Kröten, Weihrauch und der Teufel

■ Porträt des Leserbriefschreibers und katholischen PR-Referenten in Bremen, Wilhelm Tacke

Wenn in dieser unserer geliebten Heimatzeitung - zum Beispiel - steht, der Hl.Martin habe seinen Mantel in einem ärmlichen russischen Dorf zerschnitten, dann ist eins so sicher wie das Amen in der Kirche: Post von Wilhelm Tacke. In durchaus kessem, ja witzigem Plauderton korrigiert er die taz-typische kirchengeschichtliche Ignoranz (St.Martin ist aus Rumänien und schnippelte in Tours). Und wenn ein Kollege seinen allfälligen antiklerikalen Schub hat und die Sancta Ecclesia als Sekte beschimpft: ein Tacke ist ihm sicher.

Wilhelm Tacke ist vom Fach. Sein Briefkopf weist ihn aus als Referent für Öffentlichkeitsarbeit des Katholischen Gemeindeverbandes in Bremen - kurz gesagt, er ist der Bremer PR-Mann des Papstes. Zu kurz gesagt, viel zu kurz! In seinem kleinen Büro im Katholischen Kirchenamt, zu den Füßen der Probsteikirche St.Johann im Schnoor, residiert auf jeden Fall und immer ein ganz anderer Tacke, als man so landläufig gottfern erwartet.

Wilhelm Tacke ist nämlich keineswegs dieser RCDS-gediente Körperfeind mit Problemhaut, der die Münzschächte an Kondomautomaten verklebt. Er lebt nicht zölibatär, aus seinem Mund dringt kein Weihrauch. Wilhelm Tacke trägt ein keckes Bärtchen, schmückt sich mit vollem Deckhaar, hat ein rosa Hemd, eine üppig gemusterte Krawatte und ein okerfarbenes Jackett. Und auch das trügt: „Ich muß heute zum Rotary Club, da herrscht Schlipspflicht!“

Nur eins entspricht den Erwartungen: Tacke lügt nicht. Er ist darum ein wunderbarer Interviewpartner. Denn fragt man ihn, wann er zum letzten Mal gebeichtet hat, gerät er in böse Bedrängnis,

hier lachender Mann

Wilhelm Tacke, wie er einmal aufgefordert wurde, bitte eben mal an den Teufel zu denkenF.: Bus

er windet sich, leidet. Aber: „Ich will ja nicht lügen. Vor zwei drei Jahren.“ Doch schon scheint leises Leuchten auf in seinen Augen, und dann kommt ein richtig katholischer Satz, einer, dessetwegen man die katholische Kirche lieben muß: „Ich habe ja keine schweren Sünden begangen!“ Und Bußgottesdienste hat er besucht, wo läßliche Sünden im minderschwerem Fall automatisch vergeben werden. Oh Freiheit des katholischen Christenmenschen!

Wilhelm Tacke spricht von „Zufall - aber ich war immer in einem katholischen Milieu.“ Er ist sozusagen in der Wolle katholisch gefärbt. Vor 55 Jahren in einem Kaff bei Gütersloh geboren, ist er „praktisch in der Sakristei großgeworden“. Sein Vater war Küster und Organist; der kleine Wilhelm wurde natürlich Meßdiener, Obermeßdiener, legte die Paramente, die Altardeckchen und liturgischen Gewänder zurecht, er sorgte für Oblaten und Meßwein. Natürlich studierte er auf einer katholischen Fachhochschule. Er

wurde Volksschullehrer. Dann erwischte ihn ein katholischer Headhunter, der Nachwuchs für die Bremer Diaspora (14% Katholiken) suchte. So kam Tacke an die Marien-Schule in Walle. Doch ein Jahr später war er ganz woanders: in Ägypten.

An einer Bürowand hängen Fotos, die Wilhelm Tacke als arabischen Scheich zeigen. Fünf Jahre lang, von 1969-1974, arbeitete er an einer Nonnenschule in Alexandria, allwo er seine Frau fand, woraufhin sie eine Tochter namens Alexandra bekamen. Seitdem kann er auf Arabisch einkaufen und empfiehlt sich somit als Reiseführer für allerlei christliche Reisen nach Ägypten zum Zwecke der religiösen Erbauung und der Erholung.

Bis 1987 erzog er die kleinen Oslebshauser Katholiken der St.Josephs-Schule („Mein Metier war immer das Erzählen“), um dann der Kirche Öffentlichkeitsarbeiter zu werden („Mein Metier war immer das Erzählen“). Außer Leserbriefschreiber (der Schrecken von Buten & Binnen ist er auch, er sitzt im Rundfunkrat) ist Tacke besonders eins: „ein katholisches Auskunftsbüro“. Ob ein Journalist für seine Reportage „Das Kloster als Wirtschaftsfaktor“ einen Tip braucht; ob jemand in die USA zieht und eine katholische Adresse sucht; ob jemand dem Papst schreiben möchte („Der kriegt das sowieso nicht, schreiben Sie besser dem Nuntius in Bonn!“) - Tacke greift in die Batterie von Büchern auf seinem Schreibtisch und gibt Rat.

Apropos Papst: Paul dem VI. hat er mal echt die Hand geschüttelt, das war damals beim Konzil, als er es schaffte, sich an den vatikanischen Zerberussen vorbei in die Konzils-Bar zu schmuggeln. „War das toll, Herr Tacke?“ - „Man erinnert sich dran.“ Apropos Dogmen, Enzykliken, Jungfrauengeburt und Gummiverbot: „Wenn da irgend jemand im Vatikan was sagt, überlege ich; ich folge dem nicht sklavisch. Ich sage: mein Gewissen ist die entscheidende Instanz.“ Ganz oben links im Regal stehen die Päpstlichen Verlautbarungen. Nicht daß Tacke die alle gelesen hätte... Knallhart bleibt er aber beim Thema Abtreibung: „Ich kann nicht für Kröten kämpfen, aber Abtreibung minder wichtig finden.“

Wilhelm Tacke neigt zu Sätzen wie: „Ich neige zu unorthodoxen Dingen“ oder „Ich habe die Devise: Nie mit Schaum vor dem Mund“. Oder: „Ich bin ein geborener Optimist.“ Er glaubt an den Teufel als „dem Bösen überall“, aber Angst vor dem Teufel hat er offenbar nicht. Er freut sich über Weihrauch und katholischen Prunk, besser noch den golddurchwirkten Pomp der Ostkirchen. Das ist was für die Nase, die Augen! Demnächst reist er wieder - „Mit dem Rabbi nach Israel“ - mit 40 Gemeindegliedern im Sinne christlich-jüdischer Zusammenarbeit. Wilhelm Tacke, scheint es, hat den Zipfel vom Katholizismus erwischt, der freundlich, lebendig und menschennah ist. Und nebenher kommt er auch gewiß in den Himmel. Burkhard Straßmann