: Geplanter Cityring bringt mehr Lungenkrankheiten
■ Ärztekammer warnt vor Ausbau des Stadtrings/ SPD wirft CDU Ideologie im Busspurstreit vor/ Greenpeace beginnt heute mit einer Rechtsschutz-Kampagne
Berlin. Die Straßenbauvorhaben des Verkehrssenators Haase werden die Gesundheit der BerlinerInnen noch mehr belasten. Diese Interpretation läßt sich zumindest aus Daten ableiten, die die Ärztekammer Berlin gesammelt hat.
Der Umweltmediziner der Kammer, Bernd Köppl, hatte am Beispiel der Ringstraßen in Kreuzberg – von der Oberbaumbrücke bis zum Halleschen Ufer – die heutige Schadstoffbelastung und das bei Öffnung der Oberbaumbrücke vorhandene Verkehrsaufkommen für eine Beurteilung zugrunde gelegt. In dem Papier der Ärztekammer, das der taz vorliegt, heißt es, daß mit Öffnung der Brücke die Schadstoffbelastung in der Skalitzer und Gitschiner Straße für die Anwohner so hoch liegen werde, „als würden sie direkt an der Autobahn wohnen“. Eine Einhaltung der EG-Grenzwerte „wäre völlig unmöglich“. Ähnliches gilt für vergleichbare Straßen des geplanten Innenstadtrings.
In den beiden erwähnten Straßen werden nach Köppls Angaben schon heute die Grenz- oder Richtwerte für Stickoxid überschritten. Noch vor der Maueröffnung, als die Verkehrsbelastung in dem Bereich niedriger war als heute, seien auf einem Quadratkilometer jährlich 126 Tonnen Stickoxid ausgestoßen worden. Die gasförmige Verbindung sei wesentliche Voraussetzung für die Entstehung des unter dem Namen „Sommersmog“ bekannten Ozons. Das Reizgas greift Schleimhäute an und führe zu „erhöht auftretenden Infektionskrankheiten der Atemwege und der Lunge“. Die Stickoxid-Belastung müßte gemäß dem Bundesimmissionsschutzgesetz „bereits jetzt zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen führen“, heißt es in dem Papier weiter.
Weitere Probleme verursachen Kohlenmonoxid, Benzol und Dieselruß. Bei Kohlenmonoxid und dem Leukämie auslösenden Benzol zählten nach dem Ärztekammerbericht die Skalitzer und Gitschiner Straße schon 1988 „zu den höchstbelastetsten Straßen Berlins“, bei dem Lungenkrebs verursachenden Dieselruß werden die beiden Straßen als hochbelastet eingestuft. Die Ärztekammer fordert, zumindest in den hochbelasteten Innenstadtbezirken sofort eine erhebliche Zahl zusätzlicher Busspuren einzurichten (die taz berichtete).
Doch die Regierungsfraktionen CDU und SPD sind entweder dagegen oder drucksen rum. Der umweltpolitische Sprecher der CDU, Uwe Goetze, sagte der taz, daß Busspuren „völlig unsinnig“ seien, weil sie zusätzlichen Stau verursachen und somit zu einer erhöhten Schadstoffbelastung beitragen würden. Holger Rogall, Umweltpolitiker der SPD, zeigte sich über diese Äußerung „betrübt“: „Goetze hat eine selektive Wahrnehmung und ideologische Gründe.“ Doch auch Rogall will sich nicht für die sofortige Einführung zusätzlicher Busspuren starkmachen. Wie auch Käthe Zillbach, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, vertrauen sie darauf, daß der Verkehrssenator noch in diesem Jahr mehrere zehn Kilometer Busspuren einrichten wird. Daß der Senator aber nicht von Busspuren, sondern von Busbeschleunigung rede, sei „zugegebenermaßen“ ein Problem, so Rogall.
Neben der Ärztekammer hält aber auch Greenpeace ein weiteres Abwarten nicht für verantwortbar. Heute beginnt die Umweltschutzorganisation mit einer „breit angelegten Informationskampagne“: „Rechtsschutz gegen Luftschmutz.“ Jährlich fordere der Verkehr in Berlin 600 Todesopfer: ein Drittel der Opfer sterbe durch Unfälle, rund 400 Opfer forderten Folgekrankheiten wie Herzinfarkte und Krebs. Dirk Wildt
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