: Strategischer Treffer
■ betr.: "In 30 Tagen in Bosnien aufräumen", taz vom 9.3.93
betr.: „In 30 Tagen in Bosnien aufräumen“, taz vom 9.3.93
Welch ein strategischer Treffer! Schade, daß „Republikaner“- Wähler die taz nicht lesen; sie würden sich über diesen Artikel freuen. Die taz, die Vietnam-Nostalgiker, die Weltpolizisten und sämtliche Kriegshetzer gegen die serbischen „Säufer“! Christina Giannoulis,
Saarbrücken.
Bravo, J.P.Mackley beweist, daß man auch scheinbar ausgereizten Themen, wie dem Krieg in Bosnien faszinierende neue Aspekte abgewinnen kann. Anders als in unzähligen Berichten über Konferenzen und Vermittlungsversuche oder in lauen Kommentaren, die lediglich die Hilflosigkeit der UN beklagen oder gar die angebliche Vielschichtigkeit des Bosnienkonflikts beschwören, erhielt man hier doch endlich einmal Gewißheit über Kampfmoral, Treffsicherheit und Trinkgewohnheiten des gemeinen Serben.
Ich denke, daß die taz hier zum richtigen Zeitpunkt ein Musterbeispiel für engagierten Journalismus gegeben hat. Mit Spannung darf man nun die Berichterstattung über andere Krisengebiete der Welt erwarten: Wie ist denn etwa die Kampfkraft eines armenischen Soldaten im Vergleich zu seinem aserbaidschanischen Gegenüber zu bewerten? Kämpft der gewöhnliche somalische Milizionär auch am besten gegen Alte und unbewaffnete Frauen? Und: Was trinkt der Rote Khmer vor der Schlacht?
Man kann nur hoffen, daß eine anschauliche Kriegsberichterstattung der taz dazu beiträgt, auch dem letzten Friedensideologen die Augen zu öffnen und er sich, wie die taz, an der Suche nach umsetzbaren Lösungen bei der Herstellung des Weltfriedens beteiligt. Schon mit einfachen Mitteln, erhältlich in jedem Spielwaren- oder Modellbaugeschäft lassen sich realistische Nachbildungen unserer gegenwärtigen Kriegsschauplätze nachbauen und mögliche Militäroperationen durchspielen. Am Modell erkennt auch der militärische Laie schnell die Vorteile, die die einfache und gründliche Austragung von Konflikten auf dem Schlachtfeld auch heute noch bietet. Günther Findt, Berlin
[...] Mackley erwähnt mehrmals, wie schlecht die Treffsicherheit der serbischen Armee sei, und erweckt den Eindruck, als würden die USA das, was uns beim Golfkrieg als „chirurgische Schläge“ angekündigt wurde, bestens beherrschen. Aber wie war das doch gleich mit dem Bunker, der damals zerbombt wurde? Und sieht der Irak heute wirklich so aus, als hätte er nur „chirurgische Schläge“ gegen seine Armee einstecken müssen?
Mal ganz abgesehen von diesen militärtechnischen Überlegungen, stellt sich doch die Frage, ob die von Mackley vorgeschlagene US- geführte Militärintervention den Konflikt überhaupt lösen könnte. Wie erfolgreich eine Intervention auch immer sein mag, sie ist doch stets ein Herumdoktern an den Symptomen – und ein Herumdoktern, das nicht auf Heilung abzielt, sondern mit dem Mittel der Amputation arbeitet. Das mag zwar die Schmerzen im Moment lindern – aber um welchen Preis!
Mackley schreibt, daß die Mehrheit der serbischen Soldaten unter anderem von „unaufhörlicher nationalistischer Propaganda“ getrieben würde. Doch leider kommt er nicht auf den Gedanken, dies als Ansatz zu nehmen, an dem auf nichtmilitärischem Wege entgegengesteuert werden könnte.
Weitere nichtmilitärische Handlungsmöglichkeiten wären neben einem wesentlich konsequenteren Zudrehen von Geld-, Öl- und Waffenhahn für Serbien zum Beispiel die Unterstützung von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern im Ausland, humanitäre Hilfe für die Opfer und – vor allen Dingen – Versöhnungsarbeit zwischen den einzelnen Gruppen. Natürlich dauert das alles länger als 30 Tage, bevor es Wirkung erzielt. Aber die Wirkung einer Militärintervention wäre im besten denkbaren Falle die, daß neben der Erhöhung der Kriegstoten um einige zigtausend weitere Menschen der Konflikt vielleicht zeitweise eingedämmt werden könnte – um dann eines Tages wieder in vollem Ausmaße auszubrechen. Man sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, wo die Ursachen (unter anderem) liegen – nämlich in den Greueltaten, die sich schon vor Jahrzehnten zwischen Kroaten und Serben abspielten und nun für die serbische Propaganda dafür herhalten, ihren Soldaten das Gefühl zu geben, von „faschistischen“ Mächten an die Wand gedrückt zu werden. Diesen Haß kann ein militärischer Schlag niemals beseitigen, sondern nur noch weiter schüren. Klaus Huber, Heidelberg
So langsam wird, was die taz zum Thema Bosnien berichtet, immer unerträglicher. Nicht nur, daß pausenlos für eine Militärintervention getrommelt wird und zu diesem Zweck auch Friedensbewegte beschimpft werden, neuerdings ist man sich auch nicht zu schade, Schützenhilfe von jeder Seite entgegenzunehemn. So wird nun der amerikanische Militär J.P. Mackley als „Experte“ aufgebauscht, dessen Verdienste ausgerechnet der Vietnamkrieg und der zweite Golfkrieg sind!
Doch auch inhaltlich entpuppt sich das, was Euer „Experte“ auf seiner Ortsbesichtigung an Kenntnissen erlangt hat, als oberflächlich bis falsch. Da sind zum einen die geographischen Gegebenheiten: Er erwähnt die Städte Bosanski Brod (zu deutsch: Bosnisch Brod) und „Slovanski Brod“, wo doch jeder, der die Kriegsberichterstattung verfolgt hat, inzwischen weiß, daß diese Stadt Slavonski Brod, also Slavonisch Brod, heißt. War dies nur ein entstellender Fehler der taz oder der Washington Post? Oder wähnte sich unser Jugoslawien-„Experte“ gar in Slowenien und glaubte dasselbe sei identisch mit dem ostkroatischen Slavonien? (Selbst dann hätte es heißen müssen: Slovenski Brod.)
Deutlicher fallen seine Unkenntnisse aus, wenn er behauptet, „der gesamte serbische Nachschub kommt über ein halbes Dutzend Brücken über die Donau oder die Drina“. Man braucht lediglich einen Weltatlas zur Hand zu nehmen, um festzustellen, daß die Donau bosnisches Gebiet überhaupt nicht berührt. Offensichtlich hatte Mackley die Save gemeint, Grenzfluß zwischen Bosnien und dem serbisch besetzten Slavonien als auch zwischen Bosanski Brod und Slavonski Brod; die Save fließt aber erst bei Belgrad in die Donau. Unser „Experte“ kann also noch nicht einmal auf einer Karte den richtigen Namen der Flüsse finden, die er bombardieren will.
Den anderen Peinlichkeiten Mackleys will ich mich gar nicht erst widmen. Warum man in der irakischen Wüste besser „Panzer und Artillerie verstecken“ kann als im bosnischen Hochgebirge, warum Mackley nicht die Gefahr der Ausdehnung der Kämpfe auf den Kosovo, Makedonien und die Vojvodina mit einberechnet, und warum er nicht den Vergleich mit dem „Wüstenstorm“-Angriff sein läßt und sich statt dessen andere Kriege in gebirgigen Ländern als Beispiel nimmt, als da wären: Afghanistan, Türkisch-Kurdistan, alles Beispiele von Ländern, in denen mittelgroße bis ganz große Armeen nicht in der Lage waren, kleine, schlecht bewaffnete Gruppen trotz äußerster Grausamkeit zu besiegen. [...] Malte Fuhrmann,
Berlin-Prenzelberg
[...] Die „Serben“ werden so dargestellt, wie Mackley vor Jahrzehnten vielleicht aus seiner imperialistischen Perspektive „die Vietnamesen“ wahrgenommen haben mag: als „Untermenschen“: Sie seien „keine besonders guten Krieger... Keine Einheit der jugoslawischen Bundesarmee oder Luftwaffe ... könnte erfolgreich gegen eine gleich große, gleichartige US- Militäreinheit bestehen – außer vielleicht beim Trinken.“ So redeten und reden in Deutschland die Unbelehrbaren, wenn sie davon schwadronier(t)en, „der deutsche Soldat“ sei „der beste“ im Zweiten Weltkrieg gewesen. In ähnlicher Weise machten und machen sie sich vielleicht über die moralische Minderwertigkeit des „Iwan“ lustig, der nur saufen könne. Und weil's so lustig war, wiederholt Mackley bald darauf: „Die Mehrheit der serbischen Soldaten wird von flammenden Emotionen geleitet, von Pflaumenschnaps und unaufhörlicher nationalistischer Propaganda.“
Der Ausdruck „flammende Emotionen“ läßt rassistische Wahrnehmungsmuster des Autors erkennen, im Sinne einer angeblichen „balkanischen Mentalität“. Kein „chirurgischer Schnitt“ der Wahrnehmung könnte aber so zielgenau sein, daß er dann nur die Serben träfe. Und in der Tat: In aller nur wünschenswerten Deutlichkeit zeigt sich die rassistische Perspektive des Verfassers, die alle kriegsbeteiligten Nationen im ehemaligen Jugoslawien erfaßt: „Weder Serben noch Kroaten, noch Muslimanen haben die organisatorischen Fähigkeiten oder die Kommunikationsmittel für größere militärische Operationen.“
Die Menschen in Kroatien und Bosnien, wo Mackley gerade Pressebüros aufbaut, sollen sich – auch wenn sie keine Serben sind – nicht täuschen in ihm: Er ist nicht ihr Freund, sondern ein Rambo, der – nach Vietnam – endlich wieder ein Betätigungsfeld sucht. Weitere Beweise? Seine menschenfeindlichen Ausdrücke, wonach „Schlachtmanöver größeren Ausmaßes zu orchestrieren“ wären (Der Geschützdonner muß Musik für ihn sein!) oder man „in 30 Tagen Bosnien aufräumen“ könne (Menschen als Schmutz, der die Ordnung stört!). [...] Dr.Lothar Zieske, Hamburg
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