: Eingeschränktes Hausverbot für Behinderte
■ Für Rollstuhlfahrer gibt es in der "Weltstadt"" Hamburg nur eine öffentliche Toilette, die rund um die Uhr geöffnet ist
, die rund um die Uhr geöffnet ist
Die Einkaufsroute ist bis ins Kleinste durchgeplant, der Niederflurbus wurde ausnahmsweise direkt erwischt, alle unüberwindbaren Rolltreppen umfahren, Bordsteinkanten mit Hilfe von Passanten überwunden - und dennoch endet der Ausflug in größter Not: Ein, für manchen Menschen kleines, doch für den Rollstuhlfahrer schier unlösbares Problem wird für ihn zur Qual. Die Blase ist voll. Zwar ist eine der rund 40 öffentlichen und betreuten Behindertentoiletten, die es in der Hansestadt gibt, ganz in der Nähe - doch es ist bereits nach 18 Uhr. Und das bedeutet für über die Hälfte dieser Einrichtungen: Geschlossen!
Hamburg, düstere Provinz: 500 Städte und Gemeinden in Deutschland, so auch Rendsburg, Flensburg, Kiel und Lübeck, lösen dieses elementare Problem auf einfache Weise. Dort, wie auch an allen Autobahnraststätten, kann jeder Rollstuhlfahrer die Klos mit einem eigenen, zentralen Schlüssel rund um die Uhr selber öffnen. Nicht aber in der Hansestadt: „In der Groß-
1stadt Hamburg gibt es nur ein einziges WC am Hauptbahnhof, das an dieses zentrale Schlüsselsystem angeschlossen ist“, bekagt Peter Gareis. Der 50jährige sitzt seit zehn Jahren im Rollstuhl und hat so manche Odyssee in der „Weltstadt“ Hamburg hinter sich bringen müssen.
Bei dem Großteil der Hamburger Toiletten heißt „Betreuung": Nach dem Schlüssel muß geklingelt werden. Dies geht allerdings auch nur bis 18 Uhr und einzig das Bahnhofs-WC ist rund um die Uhr geöffnet. Am Winterhuder Marktplatz müssen RollstuhlfahrerInnen sich den Schlüssel sogar im Cafe nebenan abholen, Hin- und Rückfahrt über das holperige Kopfsteinplaster inclusive. Überdies wurden von den 39 im „Stadtführer für Rollstuhlfahrer“ ausgewiesenen Behinderten-WCs 19 wegen Stufen, steiler Rampen und schmalen Türen nur als „eingeschränkt zugänglich“ eingestuft.
An Wochenenden sieht es für behinderte Menschen schließlich ganz finster aus: Denn Hamburgs Stadtplaner sind offenbar der Ansicht, daß sich die menschliche Verdauung an den üblichen Ladenöffnungszeiten zu orientieren hat. Will heißen: Viele Behindertentoiletten sind Samstag nachmittag und sonntags ganz dicht. „Das bedeutet nichts anderes als ein begrenztes Hausverbot für behinderte Menschen“, sagt Peter Gareis bitter.
Über diese Kritik zeigt sich der Leiter der zuständigen Planungsabteilung im Bezirksamt-Mitte, Rüdiger Elwart, jedoch erstaunt. Es sei zwar in Hamburg tatsächlich nur ein WC mit dem zentralen Schlüssel zu öffnen, aber ein zweites sei derzeit am Michel im Bau. Und in den Gesprächen mit den Behindertenverbänden habe doch aus Gründen des individuellen Sicherheitsempfindens immer die Frage nach Personal im Vordergrund gestanden. Elwart räumt jedoch ein, daß dies einer zusätzlichen, flächendekkenden Installation des zentralen Schlüsselsystems für die Abend- und Nachtstunden nicht widerspräche. „Das könnten wir tatsächlich einmal prüfen.“ sako
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