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Musik für's rechte Gehirn

■ „Marc Johnson's Right Brain Patrol“ spielte im intimen Packhaus

Bass, Gitarre und Percussion: das klingt zuerst wie eine klassische, ganz konventionelle Jazzformation. Aber das Trio des Bassisten Marc Johnson spielte ganz ungewöhnliche Klänge. Sie nahmen die Hörer mit auf eine Reise in die rechte Gehirnhälte, in der nicht- rationale Denkprozeße wie Intuition und Orientierung in Räumen ablaufen (das ist Johnsons Erklärung für den Namen seiner Band).

So harmonierten in dieser zugleich aufregenden, intimen und sehr komplexen Musik unterschiedliche Stile, Temperamente und Spielformen miteinander. Der eher introvertiert und feinsinnig spielende Johnson, mit seinem schönen, puren Ton auf dem akustischen Bass, stand im idealen Kontrast zum spielerischen Percussionisten und Sänger Arto Tuncboyaciyan, der mit seinem Ideenreichtum, musikalischen Witz und den Wurzeln in der türkisch, armenischen Volksmusik das Publikum von Takt zu Takt überraschte.

Ein gesamtem Solo trommelte er mit den Fingern auf einem Kochtopf, bei seinen Vokalexkursionen vermischte er Obertongesänge mit Pfiffen auf einer Bierflasche, sein Schlagzeug spielte er genauso oft mit den bloßen Händen wie mit den Drumsticks, und mit dem am Kopf befestigten Mikro für den Gesang konnte er auch ungewöhnliche Soundeffekte erzeugen, so daß plötzlich die Becken wie Kirchenglocken klangen.

Der junge Ben Monder konnte sich mit seinem sehr vielseitigen Spiel auf der E — Gitarre, die er mal lyrisch schwebend, dann wieder rockig verzehrt oder spröde und vertrackt klingen ließ, neben den beiden ausgeprägten Musikerpersönlichkeiten gut behaupten.

Die Leichtigkeit, mit der die Band Stile, Techniken und Stimmungen vermischte, spiegelte sich auch in der Bandbreite der gespielten Kompositionen. Neben den sanft, melancholischen, an Volksweisen erinnernden, Liedern von Tuncboyaciyan (den Song „Baby Elefant“ hat er seiner Mutter gewidmet), waren Jazzrockstücke, Anklänge an Countrymusik und brasilianische Einflüße zu hören.

Leider spielte das Trio seine außergewöhnliche Musik nur vor wenigen Zuhörern, aber in seiner Absage gelang es Johnson noch fast, dieses Manko ins Postive umzudeuten: Die Band habe nicht oft Gelegenheit, vor solch einer intimen Versammlung zu spielen. Diese Bewertung konnte nur direkt aus der rechten Gehirnhälfte kommen.

Willy Taub

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