: Waigel und die Prager Filets
■ Generalstaatsanwaltschaft ordnet Wiederaufnahme des Moksel-Verfahrens an
Berlin (taz) – Die bayerische Justiz will den Anschein der Kumpanei mit der CSU nicht auf sich sitzen lassen. Nachdem am Wochenende ruchbar geworden war, daß die Staatsanwaltschaft in Augsburg ein Verfahren wegen Subventionsbetrugs gegen den Fleischkonzern Moksel auf Anweisung von Waigels Finanzministerium eingestellt hatte, ordnete nun der Generalstaatsanwalt in München an, weiter zu ermitteln. Das Verfahren sei nicht korrekt geführt worden.
Dabei bilden die jetzt bekannt gewordenen Durchstechereien des Allgäuer Metzgerkonzerns Moksel nur die Spitze eines gigantischen Gefrierfleischberges. Auch die „Rechtshilfe“ seitens des von dem Allgäuer Waigel geführten Bonner Finanzministeriums hat Tradition, wie weitere Recherchen der taz ergaben: Im Herbst 1990 nahm das Hamburger Zollfahndungsamt die bayerischen Unternehmen Moksel und März/Marox bereits wegen „Marktordnungszuwiderhandlungen auf dem Rindfleischsektor“ ins Visier. Beide hatten am 30. Juni 1990 – also just einen Tag vor Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion zwischen DDR und BRD – 1.800 Tonnen Tiefgefrorenes vom Allerfeinsten in die DDR eingeführt: Rinderfilets und Roastbeef aus Südamerika und Polen, vor allem aber von einer Firma mit dem schönen Namen BOHEMIA aus Prag. Partner auf DDR-Seite bei dem Deal war der gerade-noch-volkseigene „AHB Nahrung“. Die feinen Schnitzelchen waren jedoch mitnichten für ostdeutsche Feinschmecker bestimmt. In ostdeutschen Kühlhäusern nur zwischengelagert, sollten sie von vorneherein, so der Report der Zollfahnder, „nach dem Beitritt der DDR in das Gebiet der Bundesrepublik verbracht werden“. So rutschten die Prager Filets zollfrei in die EG, „wodurch die Gemeinschaft“, so die Zollfahnder um Eingangsabgaben von über 17 Millionen D-Mark geschädigt“ wurde. Als Herkunftsland hatten die AHB-Direktoren Krause und Teßmann „BRD/Westberlin“ angegeben – eine klare Falschdeklarierung. Angesichts des Paragraphendschungels während der Wendewirren bat das Zollfahndungsamt mit Schreiben vom 3. September 1990 das Bonner Finanzministerium, „eine Entscheidung über die Rechtslage herbeizuführen“. Die muß wohl eindeutig ausgefallen sein. Denn ein Schlußbericht der Zollfahndung versickerte in der Schublade. Solche „Rechtshilfe“ des Bundesfinanzministeriums hat Tradition. In einem Fall, so ergaben Recherchen der taz, änderte das Ministerium die Rechtslage maßgeschneidert für Moksel. Anfang der 80er Jahre ermittelte die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen Moksel wegen 137 (!) „leichten, mittleren und schweren Verstößen“ im innerdeutschen Handel. Seltsam genug: Zwischen dem Beschluß und der Durchführung einer Durchsuchung bei Moksel vergingen geschlagene 19 Monate. Im Juli 1982 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. „Zwar deutet die große Zahl der Verstöße auf eine gewisse Hartnäckigkeit hin“, hielt die Anklagebehörde fest, dennoch vermochte sie „keine Wirtschaftsstraftat“ auszumachen und diagnostizierte „keine rechtsfeindliche Gesinnung“.
Jetzt wollte die Münchner Zollfahndung nach Aussagen eines Beamten in den Fall „hoch einsteigen und hoch bebußen“. Da dekretierte das Bonner Finanzministerium, damals noch geführt von Stoltenberg (CDU), im Sommer 1984 per Runderlaß eine „neue Rechtsauffassung“ bezüglich der Verjährungsfristen: Entgegen einem Erlaß des eigenen Hauses aus dem Jahre 1969, der 1976 sogar vom Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Urteil bestätigt wurde, verkürzte das Ministerium jetzt plötzlich die Verjährungsfrist für die entsprechenden Wirtschaftsstraftaten exakt so, daß die Ermittlungen gegen Moksel platzten. Thomas Scheuer
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