■ Auch in „down under“ gab es einmal einen Hauptstadtstreit: Von Australien lernen
Melbourne (taz) – Bonn? Berlin? – Von Canberra lernen heißt Egeln wählen.
Der Streit spaltete die junge Nation. Sydney oder Melbourne? Wohin mit Regierung und Verwaltung? Wer soll Hauptstadt sein? Bereits zehn Jahre nach Gründung des australischen Staates war 1911 die Lösung gefunden: Canberra nannte man den Ort, übersetzt aus der Sprache der Aboriginals: Versammlungsplatz.
Ein Architektenwettbewerb ward ausgeschrieben. Sieger wurde ein US-Amerikaner namens Walter Burley Griffin, Beruf: Landschaftsarchitekt. Schon 1913 waren alle Zweifel und Känguruhs vertrieben, und man begann zu bauen ohn' Unterlaß. Ständiges Hantieren mit den Behörden indes verlangsamte das Tempo arg, und gerne bremsten die Fortschrittsfeinde aus Melbourne (wo das Parlament weiter tagte). Politische Grabenkämpfe zermürbten Griffin. Er erhielt schließlich Baustellenverbot und stieg 1920 frustriert aus dem Projekt aus.
Doch das Projekt Neue Heimat für die Hauptstadt, es gedieh. Schon 16 Jahre nach dem Hauptstadtbeschluß down under fand anno 1927, allen Verzögerungen durch die Weltwirtschaftskrise zum Trotz, die erste Sitzung des Parlaments statt. Und nicht einmal zwei Jahrzehnte später hatte sich schon die erste ausländische Botschaft in Canberra angesiedelt. Verwaltungsgebäude waren in den 50er Jahren fertig. Und ganze 77 Jahre vergingen, bis im Jahre des Herrn 1988 das endgültige Parlamentsgebäude, der „Capital Hill“, fertiggestellt war.
Eine Erfolgsgeschichte. Geographische Parallelen kommen hinzu: Berlin liegt fast exakt gleich nordöstlich von Bonn wie Sydney von Melbourne. Entfernungsverhältnisse und Richtungen umgerechnet ergeben die einzig wahre Alternative für den neuen deutschen Versammlungsplatz: Egeln an der Bode nahe Magdeburg. Im Jahre 2068 wäre das Parlamentsgebäude fertig. G'day folks and congratulations from Aussieland to Ossiland – übermittelt von: Bernd Müllender
(Siehe Tagesthema Seite 3)
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