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Bundeswehr nur bedingt einsatzbereit

Wehrbeauftragter geißelt die politische Führung / Durch verschleppte Entscheidungen über die Zukunft der Bundeswehr, seien die Soldaten demoralisiert  ■ aus Bonn Tyssi Bruns

Bonn (taz) – Sein Herz schlägt für die Truppe und der geht's schlecht. Alfred Biehle, Wehrbeauftragter des Bundestags, verknüpfte die Vorlage seines Jahresberichts 1992, den er gestern an die Bundestagspräsidentin und den Verteidigungsausschuß übergab, mit der Botschaft: Die Bundeswehr ist nur noch bedingt einsatzfähig. Schuld daran ist die Politik, die mit unklaren Planungsvorgaben und offener Verfassungsdiskussion bei Soldaten und Vorgesetzten „Frust“, sogar „innere Kündigung“ zu verantworten habe. Nur am Rande spielte bei der öffentlichen Vorstellung des Berichts das Thema Menschenführung eine Rolle, also Verstöße gegen die Rechte der Soldaten oder entwürdigende Behandlung durch Vorgesetzte. Erst die Lektüre des Berichts erschließt, daß Vorfälle dieser Art auch im Jahre 1992 nicht selten waren. Der Bericht resümiert immerhin „ein erschreckendes Maß an Defiziten hinsichtlich der Menschenführung“.

Doch Eingaben dieser Art, so Biele vor der Presse, seien in den letzten Jahren zurückgegangen und überlagert worden durch die zahlreichen Beschwerden und Anfragen, die den Umbau der Bundeswehr betreffen. „Soldaten und ihre Frauen fragen, wo geht es lang.“ Als „Hängepartie mit ungewissem Ausgang“ empfänden viele Soldaten ihre Situation. „Erhebliche Einbußen“ bei der Auftragserfüllung stellte der Wehrbeauftragte bei den Verbänden fest, die zukünftig aufgelöst werden sollen. Über 40 000 Versetzungen, davon über 10 000 mit Standortwechsel, haben die Armee näher an die soziale Wirklichkeit gebracht. Wohnungen, klagte Biehle, seien sowenig zu finden wie Arbeitsplätze für die Ehefrauen. So mancher Militärseelsorger mache ihn auf Eheprobleme aufmerksam.

Zusätzlich demotiviert sieht Biehle die Truppe durch die ungeklärte verfassungsrechtliche Diskussion über künftige Einsätze. „Wir sind hier eingesetzt,“ zitierte er den typischen Soldaten „und zuhause wird über die Verfassungsmäßigkeit diskutiert“. Der Wehrbeauftragte sieht bei Bundeswehrsoldaten in Nato-Verbänden „die Gefahr einer zunehmenden Isolierung von ihren isolierten Kameraden“. Die internationalen Einsätze „unserer Bundeswehr in Kambodscha, Sarajevo und Somalia“ gelten Biehle übrigens als Beweis, daß die Bundeswehr nicht ausländerfeindlich sei. 61 „Verdachtsfälle mit 84 mutmaßlichen Tätern“ rechtsextremistischer Art wurden 1992 amtlich. Ob sich dahinter eine Grauzone verbirgt, wußte der Wehrbeauftragte so recht nicht zu sagen. Durch „Zeitungsmeldungen, Anrufe und Meldungen von Kommandeuren“ wären ihm diese Fälle bekanntgeworden. „Zeitungsmeldungen, so mußte Biehle zugestehen, seien „manchmal schneller als die Kommandeure“. Aber: „Es gibt keinen Rechtsruck in der Armee“. Biehle sparte nicht mit Anforderungen an die Politik. Es gebe nicht nur das Primat der Politik, sondern auch die Pflicht, rechtzeitige Entscheidungen zu treffen.

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