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■ Wenn Bonner Minister nach Berlin umziehen...Hauptstadt nach Gutsherrenart

Der Kaiser zieht sich indigniert in sein Gemach zurück, der König trommelt seine Hofschranzen zusammen, der Kurfürst stampft drohend mit dem Fuße auf, die Herzogin wackelt mit dem Zepter (und läßt es dann doch die Herren schwingen), und der Plebs steht staunend davor und grämt sich, aus welchem Säckl er all die Heller ziehen soll, damit der adligen Herrschaft ein Wohlgefallen sei. Der Feudalismus feiert gar schröckliche Urständ', wenn Bonner Minister nach Berlin umziehen. Da werden Ränke geschmiedet, Fürstentümer verschachert, Bauwerke ob einer mißmutigen Stirnfalte dem Erdboden gleichgemacht, Landschaften mit einem Federstrich zur Wüstenei erklärt. Hauptstadtplanung nach Gutsherrenart, und das alles nur, um das „Spieglein, Spieglein an der Wand“ mit einem prächtigen Amtssitz zu betören.

Die Beschlüsse über die künftigen Minister-Residenzen, die eine Bonner Lobby jetzt dem Berliner Senat aufgedrückt hat, sind in mehrfacher Hinsicht ein Desaster: architektonisch, weil sie die Berliner Stadtmitte endgültig veröden lassen. Historisch, weil sie mit dem Palast der Republik eines der wenigen Baudenkmäler zerstören, auf das DDR-Bürger auch einmal stolz sein konnten. Finanziell, weil der Bonner Größenwahn mit sicherem Prestige-Instinkt die zweitteuerste aller Lösungen gewählt hat.

Doch mindestens so ärgerlich wie das Resultat ist die Art, wie die Bonner Politiker ihre jeweiligen Einzelinteressen durchgeboxt haben. Von allen demokratischen Geistern verlassen, schmissen sich derer von und zu Kohls & Kinkels mit einer Verve in den Ring, als ob es um die Residenz ihres familiären Adelsgeschlechts ginge. Keinem dieser adligen Herren kam es in den Sinn, daß ihre persönlichen Marotten bei der Gestaltung des Regierungsviertels völlig schnuppe sind. Denn aller Voraussicht nach wird kein einziger von ihnen jemals dienstlich einen Fuß in diese maßgeschneiderten Domizile setzen. Sie werden schon bei der Grundsteinlegung nicht mehr in Amt und Würden sein. Doch die Bonner Politiker scheinen sich so in ihr eigenes Machtgefüge eingebunkert zu haben, daß ihnen ihre Auswechselbarkeit völlig unvorstellbar scheint. Im Bewußtsein ihrer eigenen demokratischen Vergänglichkeit hätten sie sich nicht nur für befangen erklären müssen, sondern auch für unzuständig. Da ihre NachfolgerInnen zum Glück noch nicht in Sicht sind, hätten sie den Entscheidungsprozeß dorthin verlagern müssen, wo er hingehört. In ein Gremium von gewählten Experten, die ohne Eigeninteresse das planen, was auch die Bevölkerung akzeptieren würde: eine Hauptstadt. Vera Gaserow

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