Kritik an den Asylgesetzen — doch wen juckt's?

■ Zwei Anhörungen im Deutschen Bundestag bleiben vermutlich folgenlos/ UN-Flüchtlingskommissar befürchtet Verstoß gegen das Völkerrecht

Bonn (taz) – Unermüdlich setzt die Gesetzesmaschinerie ihr Werk fort. Das neue Asylrecht stand gestern in Bonn bei zwei Anhörungen auf der Tagesordnung. Vor dem Innenausschuß des Bundestags nahmen Juristen und Verwaltungspraktiker zum künftigen Asylverfahrensrecht Stellung. Der Familienausschuß hörte Verbände und Kommunalpolitiker zum neuen Leistungsrecht für Asylbewerber an. Während Wohlfahrtsverbände und Kirchen die geplanten Sozalhilfekürzungen kritisierten, verlängerten vor dem Innenausschuß Gegner wie Befürworter die Mängelliste über die neuen Gesetze.

Es ist fast schon Tradition, daß Walter Koisser bei den Asylanhörungen des Innenausschusses das erste Wort hat. Wie bei früheren Anhörungen läßt sich aber auch bei dieser mit einiger Sicherheit vorhersagen, daß folgenlos bleibt, was der Vertreter des UN-Flüchtlingskommissars in der Bundesrepublik zu den neuen Asylverfahrensgesetzen zu sagen hat. „Vergeblich. Der Gesetzgeber hat sich hierzu nicht durchringen können. Ich will hierüber meine Enttäuschung nicht verhehlen.“

Koisser beklagte, daß er in fünf Anhörungen angemahnt hatte, die Flüchtlingsdefinition der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zur Grundlage der Asylgewährung zu machen. Daß die Verengung auf ausschließlich staatliche Verfolgung unzulänglich ist, machte Koisser am Beispiel deutlich. Wenn beim Zirndorfer Bundesamt „die aktuelle Anerkennungsquote von Flüchtlingen bei gerade einmal 0,9 Prozent liegt, dann“, meinte Koisser, „stimmen die Kriterien für die Anerkennung eines Asylgesuchs nicht mehr.“

Der Flüchtlingsbegriff war indessen nur der zweite Einwand, den Koisser vorbrachte. Sein erster berührte den Kern des neuen Asylrechts, die Drittstaatenregelung. Mit der vorgesehenen Regelung drohe ein „Verstoß gegen das Völkerrecht“.

Doch nicht nur bei Koissers Votum kam der Eindruck auf, die Innen- und Rechtspolitiker von SPD, FDP und Union absolvierten auch diese Anhörung nur, weil sie eben unvermeidlich zur Prozedur gehört. Kritik kam wieder aus allen Richtungen, aber vermutlich wird sich nicht einmal bei den wenigen Punkten, die sowohl Kritiker wie Befürworter der Neuregelung bemängeln, noch etwas verändern. So befanden die Gäste fast einmütig, die vorgeschriebene Wochenfrist für die richterliche Entscheidung sei kontraproduktiv. Die Gastgeber schienen davon so ungerührt wie von grundlegenden Einwänden.

Wenig Folgen wird etwa das Verlangen des Kölner Verwaltungsrichters Ernst Kutscheid haben, beim Abbau der Altverfahren energische Schritte zu gehen. Die ÖTV-Juristen lehnten das Drittstaaten-Prinzip ganz ab. Herbert Leuninger von Pro Asyl kritisierte, daß trotz des geplanten Status für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge eine echte Bereitschaft zur Lastenteilung nicht zu spüren sei.

Die größte Aufmerksamkeit hatte gestern der Gast aus Frankreich. Francis Lott, Chef des französischen Pendants zum Zirndorfer Bundesamt, konnte vorweisen, worauf das neue Recht in der Bundesrepublik erst hinzielt: drastisch gesunkene Asylbewerberzahlen. Allgemeine Heiterkeit kam auf, als Zott bemerkte, sein Amt in Frankreich operiere nicht mit dem Begriff der Länderlisten. Die hätten seine Mitarbeiter einfach im Kopf. Der Asylkompromiß zwischen SPD, FDP und Union, ausgehandelt im Dezember, hatte gestern seinen letzten Anhörungstermin. Der neue Verfassungstext war bereits vor zwei Wochen von Verfassungsrechtlern begutachtet worden.

Vor der dritten Lesung, die nach dem Willen der beteiligten Parteien möglichst in der zweiten Aprilhälfte stattfinden soll, ist aber noch eine wichtige Hürde zu nehmen. Die Abkommen mit den Nicht-EG-Nachbarstaaten, in die als „sichere Drittstaaten“ Flüchtlinge zurückgeschoben werden können, stehen aus. Vor allem eine Vereinbarung mit Polen gilt der SPD als Voraussetzung für die endgültige Zustimmung zum Gesetzespaket. Am Rande der Cebit- Messe in Hannover hat Helmut Kohl gestern gegenüber der polnischen Ministerpräsidentin die Bereitschaft zu einer „fairen Vereinbarung“ erklärt. Tissy Bruns