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Dämm-Material im Visier

Steigende Heizkosten zwingen zum Dämmen / Viele Stoffe sind  ■ gesundheitsschädlich

Angesichts steigender Heizkosten geht der Trend verstärkt zur Wärmedämmung von Gebäuden. Doch Dämm-Materialien aus Kunststoff wie Polystyrolhartschaum (Styropor) lehnen viele wegen ihrer schlechten Umwelt- und Gesundheitsbilanz ab.

Mögliche Alternativen sind rar. Künstliche Mineralfasern wie Glaswolle und Steinwolle entstehen durch Verflüssigung von Glas, Gesteinen und Schlacken. Das Gemisch wird anschließend durch Düsen gepreßt und mit Kunstharzbindemitteln zu Matten verfestigt. Es genügt nicht, festzustellen, daß Mineralwolle einen hohen Wärmedämmwert hat und nicht brennbar ist. Es darf nicht verschwiegen werden, daß besonders die ArbeiterInnen in Produktion und Verarbeitung starken gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind: die Bindemittel weisen einen hohen Anteil des Allergens Formaldehyd auf, das zusätzlich im Verdacht steht, Krebs auszulösen, ebenso wie die bei der Verarbeitung entstehenden Mikrofaserstäube, die durch die Lunge in den Körper dringen. Außerdem ist eine erhöhte Radioaktivität möglich durch Grundstoffe wie Basalt oder Schlacken. Weitere Argumente gegen Mineralfasern sind der relativ hohe Energieaufwand bei der Herstellung und die Beschichtung mit einer Alu- oder PVC-Kaschierung, die das Recycling erschwert.

Für Glaswolle als Dämmstoff spricht lediglich, daß die Hauptrohstoffe ausreichend vorhanden sind. Außerdem gibt es inzwischen Glaswolle aus Altglas, die einen wichtigen Beitrag zur Ressourcenschonung darstellt und deshalb mit dem

1Umweltzeichen des Umweltbundesamtes, dem sog. „Blauen Engel“, ausgezeichnet worden ist.

Zellulosedämmstoff als Beispiel für organische Dämmaterialien besteht aus zu Flocken zermahlenem Zeitungspapier unter Zusatz von Borsalzen zur Brandhemmung und als Schutz vor Ungezieferfraß und Schimmelpilzbefall. Geringe Mengen Blei, Cadmium und PCB aus der Druckerschwärze bleiben im Endprodukt zurück. Im Brandfall entstehen Kohlendioxyd, -monoxyd und Borverbindungen — alle Gase aus unvollständigen Verbren-

1nungen sind gesundheitsschädlich. Die Vorteile von Zelluloseflocken liegen dennoch auf der Hand: Die Ressourcen werden geschont. Erstens weil es sich um ein Recyclingprodukt handelt (hat auch den „Blauen Engel“ bekommen) und zweitens aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz besteht. Die Herstellungsenergie ist so gering wie bei keinem anderen industriell erzeugten Dämmstoff. Boden, Gewässer und Luft werden bei dem trockenen, rückstandsfreien Verfahren nicht mit Schadstoffen belastet. Die Wasserdampfdurchlässig-

1keit ermöglicht diffusionsoffene Konstruktionen und zusammen mit der Fähigkeit, Feuchtigkeit aufzunehmen und wieder abzugeben, sorgt das Material für ein angenehmes Raumklima. Es hat einen guten Dämmwert und ist jederzeit wiederverwendbar. Zellulosewolle ist nach Abwägen aller Argumente empfehlenswert. Ein kleiner Wermutstropfen: HeimwerkerInnen können nicht selbst Hand anlegen, da nur lizensierte Fachbetriebe die Flocken im Blas- oder angefeuchtet im Sprühverfahren anbringen können. Sandra Fanroth

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