: Erst der Kahlschlag, jetzt ein Rundumschlag
■ Betriebsräte protestieren: Nach den ABM werden jetzt die Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen abgeholzt
abgeholzt
Die Betriebsräte der Hamburger Weiterbildungsträger schlagen Alarm: Nach dem ABM-Kahlschlag hat die Bundesanstalt für Arbeit nun auch eine drastische Kürzung der Mittel für Fortbildung und Umschulung (FuU) angekündigt. Auf 15 Prozent des Vorjahreshaushalts sollen die finanziellen Beiträge für neue FuU-Kurse heruntergeschraubt werden.
Die Arbeitnehmervertreter der betroffenen Hamburger Bildungsinstitute trafen gestern zusammen, um ihr weiteres Vorgehen gegen die Sparpläne der Arbeitsämter zu besprechen. „Zur Zeit kann keiner der Träger eine Bestandsgarantie geben“, sagte Roland Kohlsiek vom Gesamtbetriebsrat des Berufsfortbildungswerks des DGB. Werden die Sparbeschlüsse nicht zurückgenommen, müssen die meisten der 240 Umschulungsbetriebe wahrscheinlich noch in diesem Jahr schließen.
Grundlage der Kürzungen ist eine Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes, die zum 1. Januar in Kraft getreten ist. Die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland reißt tiefe Löcher in den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit. Die Konsequenz: Statt wie erwartet 11000 Umschüler, können dieses Jahr in Hamburg vermutlich nur etwa 1300 Menschen einen FuU-Kurs beginnen. Am kommenden Dienstag wird das Hamburger Arbeitsamt eine Präferenzliste mit allen FuU- Maßnahmen veröffentlichen, die in diesem Jahr noch übrig bleiben werden.
Dabei wird der Bedarf an Umschulungs- oder Fortbildungskursen in den nächsten Jahren kaum abnehmen. Denn, so Roland Kohsiek, „die Metall- und Werftenkrise steht vor der Tür.“ Und über mangelnden Erfolg können sich die Umschulungsträger bisher auch nicht beklagen: Nach Abschluß eines FuU-Kurses finden fast alle TeilnehmerInnen innerhalb eines Jahres einen neuen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.
Leidtragende der Sparpolitik sind vor allem die sozial Schwachen. Drastisch schrumpfen muß etwa die Vorförderung für Aussiedler und Flüchtlinge. Sie wurden bisher in speziellen Klassen auf eine Ausbildung oder Umschulung vorbereitet. „Jetzt droht ihnen das Aus für ihre berufliche Zukunft in Deutschland“, befürchten die Betriebsräte. „Hier werden Langzeitarbeitslose produziert“, hieß es.
Auf die LehrerInnen und AusbilderInnen rollt eine Kündigungswelle zu: Bis zu 700 Menschen, so schätzen die Betriebsräte, werden ihre Arbeit verlieren. Zahlreiche Umschulungsträger haben bereits Kurzarbeit beantragt.
Die Betriebsräte fordern nun einen Nachtragshaushalt, um den Bestand an FuU-Maßnahmen zu sichern. Mit einem Aktionstag in den betroffenen Betrieben wollen sie im April noch einmal ihren Protest in die Öffentlichkeit tragen. Die berufliche Qualifizierung, so die Kritik, dürfe nicht einer kurzfristigen Sparpolitik zum Opfer fallen.
„Mit ABM und FuU“, sagt DGB- Vertreter Roland Kohsiek, „befinden sich zwei wichtige Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitk im freien Fall.“ Uli Mendgen
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