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Abgestürzte Dateien, gestörtes Vertrauen

■ Die UKE-Leitung will einem Oberarzt kündigen, weil er die Aufdeckung eines Betrugsskandals losgetreten haben soll

-Leitung will einem Oberarzt kündigen, weil er die Aufdeckung eines Betrugsskandals losgetreten haben soll

Ein Opfer soll geschlachtet werden: Wegen eines Betrugsskandals betreibt die Leitung der Uniklinik Eppendorf (UKE) derzeit die Kündigung eines Oberarztes. Im Visier ist jedoch nicht der Arzt, gegen den die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt, sondern der Mediziner, der den Skandal nach Ansicht der Krankenhausleitung im vorigen Frühjahr an die Öffentlichkeit trug. In der Wissenschaftsbehörde wurde gestern bestätigt, daß eine Kündigung des ehemaligen Oberarztes der Abteilung Strahlentherapie erwogen werde.

Auslöser der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im März 1992: das „Phantom mit der Netzkarte“. Ein anonymer Anrufer hatte berichtet, der Chefarzt der Strahlentherapie rechne ambulante Patienten als stationäre Privatpatienten ab. Besonders kurioser Fall: Ein Mann, der als stationär aufgeführt wurde, hatte bei der Krankenkasse eine Netzkarte für die täglichen Fahrten in die Klinik beantragt. Die elf Betten der UKE-Strahlentherapie, so der anonyme Hinweis, seien auf diese Art zeitweise mit 24 Patienten „belegt“ worden. Für die Kassen ein Schaden in Millionenhöhe.

Die Staatsanwaltschaft war daraufhin eingeschritten und hatte UKE-Akten beschlagnahmt. Zuvor war es nach Informationen der taz dort jedoch „lebhaft zugegangen“, just zu diesem Zeitpunkt sei auch der Computer mit den Patientendaten „abgestürzt“.

Die Presse-Schlagzeilen sorgten für Wirbel: Auch in anderen Kliniken sei diese Art der betrügerischen Abrechnungspraxis an der Tagesordnung, berichteten Bedienstete. Der Geschäftsführer der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, Jürgen Abshoff, wies „diese pauschalen Vorwürfe“ jedoch entschieden zurück.

Doch nicht der angeblich betrügerische Chefarzt der Strahlentherapie fiel bei der UKE-Leitung in Ungnade, sondern ein Oberarzt. Ihm warf man vor, er habe die Geschichte lanciert. Er erklärte jedoch eidesstattlich, weder Initiator noch Mitinitiator dieser Veröffentlichungen gewesen zu sein. Doch diese Versicherung genügte dem Krankenhaus-Direktorium offensichtlich nicht. Während eines Urlaubs wurde dem Oberarzt im Oktober mitgeteilt, er werde ab Januar „wegen des gestörten Vertrauensverhältnisses“ nicht mehr als Oberarzt eingesetzt.

Doch der Arzt klagt nun gegen die Strafdegradierung, über die Rechtmäßigkeit wird das Arbeitsgericht am 2. April urteilen. Doch offenbar setzt man im UKE alles daran, das „schwarze Schaf“ loszuwerden. In der vergangenen Woche beschloß man, ihn „fristgerecht zu kündigen“. Kommentar aus der Aufsichtsbehörde: „Das Verfahren läuft noch, es ist noch nicht entschieden.“ Sannah Koch

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