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Tödliche Jungenkämpfe

■ Michael Worsch inszeniert am MOKS-Theater „Menschenmaschine“, ein Stück Büchner / Heute Premiere

hierhin den jungen Mann

„Menschenmaschine“ ist der Titel einer szenischen Büchner- Collage, die der junge österreichische Regisseur Michael Worsch heute abend im MOKS- Theater erstmalig auf die Bühne bringt. Der Titel spielt nicht an auf Heiner Müllers „Hamlet- Maschine“, sondern auf einen Gedanken, den vor allem die spätromantischen Dichter intensiv verfolgt haben: Ob das schreckliche Geheimnis der Menschen vielleicht darin liegen könnte, daß sie in Wirklichkeit wie Maschinen funktionieren mit ihren Glücks- und besonders ihren Leidensgefühlen.

Zusammen mit vier SchauspielerInnen des MOKS-Theaters hat Worsch eine lockere Spielhandlung entwickelt, innerhalb derer Texte aus Büchners drei Stücken („Leonce und Lena“, „Dantons Tod“ und „Woyzeck“) sich verbinden mit seinen Briefen an Eltern und Geliebte und der Prosa aus „Lenz“ und dem „Hessischen Landboten“. Ein Büchner-Portrait soll so entstehen, das zeigt: „Büchners private Äußerungen treten fast ungebrochen auch in seinen literarischen Texten auf, und überall spricht sich sein „unglückliches Bewußtsein“ aus, dieses Wissen um das eigene Unglück und zugleich das Wissen darum, daß sich daran nichts ändern läßt.“ (Worsch)

Worsch spricht wie ein Literaturwissenschafter, und die Sorge, daß die Inszenierung vielleicht zu sehr einer theatralischen Vorlesung für Büchner- Experten ähneln könnte, scheint nicht unberechtigt. Die Spielhandlung läßt sich, diesen Eindruck vermittelt Worsch im Gespräch, nur als hochtheoretisches Bedeutungsgefüge oder aber als vages Beziehungsspiel erzählen.

Auf der Bühne wird ein Jahrmarkt im Stil des letzten Jahrhunderts aufgebaut sein — eine Unterhaltungsmaschinerie, die auf die heutigen RTL und Sat 1 Ablenkungssendungen anspielen soll. „Wir unterhalten uns zu Tode,“ sagt eine der Figuren, die sich an den Valerio aus „Leonce und Lena“ anlehnt. Der Jahrmarktsbudenbesitzer verkörpert das „närrische“ Prinzip. Gegenpart ist der „Aristokrat“, eine Mischfigur aus Danton und Lenz, das „melancholische“ Prinzip. Sie werben um zwei Frauengestalten.

„Für die Zuschauer wird es ganz einfach sein“, sagt Regisseur Worsch, „bei einem der ersten Durchgänge durch das Stück habe ich gesehen: zwei junge Männer kämpfen ihre spätpubertären Jungenkämpfe und schließlich zwangsläufig tödlichen Jungenkämpfe miteinander aus.“ - Cornelia Kurth

Foto: Claudia Hoppens

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