Stahlkocher machen Bundesregierung Dampf

■ EG: 70.000 Arbeitsplätze wackeln

Bochum/Brüssel (taz) – Etwa 80.000 Stahlarbeiter aus Ost- und Westdeutschland werden heute in Bonn für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstrieren. Ein Großteil von ihnen reist mit neun Sonderzügen und 1.200 Bussen an. Einige hundert kommen zu Fuß. Der am Dienstag zur mitternächtlichen Stunde am Tor 1 der Dortmunder Hoesch-Westfalenhütte gestartete Zug durchquerte das gesamte Revier.

Die 175 Kilometer hatten die gewerkschaftlichen Organisatoren in 17 Etappen unterteilt und im Detail geplant. Fackeln, Transparente, Männer in silbernen Hochofenschutzanzügen und die von der IG Metall verteilten roten Kappen mit der Aufschrift „Feuer nach Bonn“, die viele der DemonstrantInnen als Kopfbedeckung trugen, machten schon optisch das Anliegen des Protestmarsches klar: Die Beschäftigten wollen die Bewältigung der Stahlkrise nicht allein den Konzernherren überlassen, sondern erwarten Hilfe von der Politik. Speziell von der Bundesregierung fordern sie die Einberufung einer nationalen Stahlkonferenz.

Die Stahlkrise nimmt derweil immer größere Dimensionen an: Der von der EG-Kommission beauftragte unabhängige Stahlexperte Fernand Braun geht inzwischen davon aus, daß in der europäischen Stahlindustrie 70.000 Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Zunächst war von 50.000 Stellen die Rede. Industrie-Kommissar Martin Bangemann hält einen Abbau von knapp 50 Millionen Tonnen zum Erhalt der Branche in Europa für notwendig. Europas Stahlkonzerne wollen nun eine „Kassenvereinigung“ für die immensen Kosten der bevorstehenden Stillegungen gründen. Der Dachverband der europäischen Stahlproduzenten, Eurofer, plant nach Angaben aus der Brüsseler EG-Kommission, bis Mitte April ein Umlagesystem zur teilweisen Finanzierung der Lasten vorzubereiten. J.S.