: Wohin mit dem Boehringer Giftmüll?
■ Noch keine Entscheidung über den Exportantrag / Hamburg hofft auf das Know-How deutscher Chemie-Unternehmer
/ Hamburg hofft auf das Know-How deutscher Chemie-Unternehmer
Alle Hoffnungen richten sich jetzt auf Bayer und BASF. Die Hamburger Umweltbehörde hat bei beiden Unternehmen angefragt, ob sie giftige Produktionsrückstände der Firma Boehringer verbrennen können — und bisher noch keine ablehnende Antwort bekommen. Das gibt Anlaß zu hoffen, daß die mit Dioxin und Lindan angereicherten Abfälle doch nicht nach England exportiert werden.
Seit der Stillegung 1984 lagern auf dem ehemaligen Werksgelände von Boehringer in Moorfleet unter anderem rund 1000 Tonnen flüssige Chlorbenzole, die insgesamt an die drei Kilogramm Dioxin enthalten sollen — in mittlerweile maroden Tanks.
Nach Aussage von Andreas Bernstorff, Müllexperte bei Greenpeace, sind diese Abfälle das Giftigste, was in Europa zur Entsorgung ansteht. Boehringer will den gefährlichen Cocktail zur Verbrennungsanlage des Unternehmens Rechem in Pontypool exportieren.
Die Hamburger Umweltbehörde, bei der die Boehringer-Tochter Dekonta die Ausfuhrgenehmigung beantragt hat, ist fieberhaft auf der Suche nach einem deutschen Unternehmen, das den Giftmüll vernichtet. Scheitert dies, müßte man die Ausfuhr wohl oder übel erlauben, so Behördensprecher Kai Fabig. Denn innerhalb der EG könne eine Genehmigung nicht verweigert werden. Der Umweltsenator sei derzeit mit der BASF und der Bayer AG im Gespräch. „Wir sind überzeugt, daß die deutsche Industrie über Verbrennungsanlagen verfügt, die so gut sind, wie ihre Produkte.“ Weiter appelliere man an die chemische Industrie, auch bei der Entsorgung eine Verantwortung zu übernehmen.“
Pressesprecherin Mechthild Halstenberg von der BASF bestätigt, daß das Unternehmen die Anfrage bislang nicht beantwortet habe, sich aber auch noch nicht negativ entschieden hat.
Auch die Bayer AG gibt an, daß Hamburg sie um Hilfe gebeten hat. „Wir prüfen derzeit, ob wir den Job annehmen können“, erklärte Pressesprecher Meinolf Sprink am Freitag gegenüber der taz. Die Firma verfügt über eine Müllverbrennungsanlage auf dem neuesten Stand der Technik.
Bewohner von Pontypool in Südwales hatten am Dienstag dagegen protestiert, daß Rechem in ihrer Ortschaft den Giftmüll aus Hamburg verbrennen will. Dort klagen Anwohner schon länger über gesundheitliche Schäden als Folge des Verbrennungsbetriebes.
1Auch Greenpeace wendet sich gegen den Export der Boehringer-Abfälle. Ingo Bokermann von der Hamburger Zentrale kritisiert den Umgang der Firma Boehringer mit den eigenen Produktionsabfällen:
1„Die haben nie untersucht, was man damit am vernünftigsten macht, dabei haben sie neun Jahre dafür Zeit gehabt. Jeder Abfall solle im eigenen Land behandelt oder vermieden werden“. So sieht das
10ß
1auch der britische Umweltminister Michael Howard: „Wir sind gegen die Einfuhr von Giftmüll aus Industrieländern, die im allgemeinen selbst in der Lage sein sollten, ihren Müll zu entsorgen“. Vera Stadie
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen