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Schrott soll Zukunft sichern

Das ostdeutsche Stahlwerk Eko drängt auf Investitionen, doch noch fehlt das Geld Teil 4 der taz-Serie zu industriellen Kernen  ■ Aus Eisenhüttenstadt Bettina Markmeyer

Gut eine Milliarde Mark trennt die Eko Stahl AG in Eisenhüttenstadt von einer halbwegs sicheren Zukunft. Soviel kostet der Umbau des ehemaligen Eisenhüttenkombinats zu einem modernen Flachstahlwerk. Denn „das Eko“, wie die EisenhüttenstädterInnen sagen, ist ein Betrieb mit einer entscheidenden technologischen Lücke. Zwischen Hochöfen und Kaltwalzwerk, in dem der Stahl zu Blechen und Profilen gewalzt wird, fehlt eine Warmwalzstraße.

Nachdem alle Kaufinteressenten, zuletzt im Herbst 1992 die Krupp Stahl AG abgesprungen sind und Verhandlungen mit der italienischen Riva-Gruppe bisher zu keinem Angebot führten, hat der Eko-Aufsichtsrat für den Treuhand-Betrieb nun ein Konzept gebilligt, das Investitionen für den Bau einer Warmwalzstufe mit vorgeschaltetem Elektro-Stahlwerk auf Schrottbasis vorsieht. In Eisenhüttenstadt, so der Plan, soll ein Großteil des Berliner und brandenburgischen Schrotts verarbeitet werden. Mit über 300 Millionen Mark muß außerdem das Kaltwalzwerk modernisiert werden. Bis zu seiner nächsten Sitzung Ende April soll der Vorstand nun einen detaillierten Investitionsplan für eine sogenannte Dünnbrammen-Gießwalzanlage – die Warmwalzstraße – vorlegen.

Mit ihrem modernen Mini- Flachstahlwerk glauben die EisenhüttenstädterInnen ab 1996 mit etwa 2.000 Beschäftigten und einer Jahresproduktion von 800.000 Tonnen Stahl schwarze Zahlen schreiben zu können. Weitere 1.500 Arbeitsplätze sollen im stahlnahen Ver- und Entsorgungsbereich erhalten bleiben. Firmensprecher Reinhard Behrend betont, Eko sei schon heute auch auf westlichen Märkten konkurrenzfähig, weil das Werk Qualitätsstahl zu günstigen Preisen liefere. Etwa die Hälfte der Produktion wird in Deutschland und der EG verkauft, der Rest geht nach wie vor nach Osteuropa und die GUS-Staaten. Doch die Zahlen des Unternehmens sehen alles andere als gut aus: bei einem Umsatz von rund einer Milliarde Mark beliefen sich die Verluste im letzten Jahr auf über 100 Millionen.

Die Treuhand und die brandenburgische Landesregierung betonen immer wieder, daß die Stahlkrise nicht dazu führen dürfe, auf den ostdeutschen Standort zu verzichten. Dies würde die strukturellen Probleme der westdeutschen Stahlindustrie nicht lösen, sich in der wirtschaftlich schwachen Oderregion aber verheerend auswirken.

Süffisant weist Wirtschaftsminister Walter Hirche darauf hin, daß der Betrieb Produktion und Belegschaft seit der Wende auf ein Drittel reduziert und damit seinen Anteil am Stahl-Kapazitätsabbau bereits geleistet habe.Mit dieser Argumentation hoffen die EisenhüttenstädterInnen auch die EG überzeugen zu können, die der Milliardeninvestition zustimmen muß. Denn ohne die neue Walzstraße ist Eko insbesondere wegen der hohen Transportkosten für die Brammen, die in westdeutschen Betrieben zwischenverarbeitet werden, auf Dauer nicht überlebensfähig. Doch ob sich angesichts des bereits angeordneten Kapazitätsabbaus die Kommission für den Investitionsplan erwärmen kann, scheint mehr als fraglich.

Auch den Stahlbossen aus dem Westen wäre es am liebsten, wenn sie das Feuer im Eko-Hochofen ausblasen könnten. Das Werk in Eisenhüttenstadt, so Thyssen-Chef Heinz Kriwet, sei „so unnötig wie ein Kropf“. Ihnen ist der staatlich subventionierte Ostkonkurrent ein Dorn im Auge, weil sie mit ihren ohnehin nicht ausgelasteten Kapazitäten an Rhein, Ruhr und Saar den Osten ohne Schwierigkeiten mitversorgen könnten. Die Stahlkrise zehrt gewaltig an der Substanz der westdeutschen Stahlkonzerne, und so ist nicht nur manchem Manager unverständlich, weshalb im Osten die Stahlproduktion mit Milliardensubventionen aufrechterhalten werden soll.

In Eisenhüttenstadt wird das freilich anders gesehen: „Wenn das Werk stirbt, stirbt auch die Stadt“, lautet einer der Slogans der IG Metall. Anders als im Ruhrgebiet, das 25 Jahre Strukturwandel hinter sich hat, sind Industrie, Gewerbe und Handel an der Oder noch auf Jahre vom Wohlergehen des Stahlwerks abhängig. Und von den einst 12.000 Beschäftigten arbeiten heute lediglich noch 3.500 direkt in der Stahlerzeugung, weitere 1.500 sind über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angestellt.

Als Managerin der Arbeitslosigkeit betätigt sich die GEM, die Gemeinnützige Gesellschaft für Qualifizierung und produktive Berufs- und Arbeitsförderung der Region Eisenhüttenstadt mbH. In 46 Maßnahmen, vom Hochofenabriß bis zur Kinderbetreuung, hat die GEM derzeit 1.034 Arbeitslose untergebracht. Zwar haben sich auf dem Eko-Gelände 147 neue Firmen angesiedelt, doch es handelt sich dabei meist nur um Ausgründungen von Eko-Betriebsteilen sowie um kleine Gewerbebetriebe. Für tausend, die auf der einen Seite entlassen werden, werden keine hundert neu eingestellt.

Ohne ABM könnte aber auch die sechs Quadratkilometer große Fläche für den „Industriepark Oder“ nicht vorbereitet werden, auf den die Landesregierung ihre Hoffnung setzt. Wirtschaftsminister Hirche wirbt schon heute mit einem Standortvorteil, den seine Kollegin, die Arbeitsministerin Regine Hildebrandt, stets als Standortnachteil für die Bevölkerung anführt: jenseits der Oder, so Hirche, könnten InvestorInnen zu den niedrigen polnischen Löhnen produzieren.

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