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■ Nebensachen aus BudapestFormalitäten vor dem Antritt Reisen

Meine Bekannte ist eine der traurigen Besitzerinnen des grüngrauen „Weltausweises“. Der Staat, dessen Bürgerin sie ist, gestattet ihr durch das Papier, zu fahren, wohin es ihr beliebt. Nur daß nach dem Dezember 1989 alle Rumänen diesen Ausweis bekommen konnten, ist der Haken an der Sache.

Da war zunächst einmal die an den Hochsicherheitszaun montierte Sprechanlage, gegen die meine Bekannte allein nicht die geringste Chance gehabt hätte. Dank meines als reinrassig erkannten Deutsch sprang das Gatter auf. Daß es bei meinem Anliegen nicht um meine Paßangelegenheit ging, merkte schon das ungarische Faktotum, welches hier als Vorposten des Vorpostens vermutlich für den zehnten Teil des Lohnes arbeitete, den die deutschen Botschaftsangestellten erhalten. An ihm ließ sich noch mit einem Gemurmel, das auf die richtige Abstammung hinweisen sollte, vorbeidrängeln.

Das funktionierte bei dem eigentlichen Vorposten schon nicht mehr. Freundlicherweise wird mir erlaubt, das Schicksal meiner Bekannten zu ergründen. „Ich möchte Frau ... nach Deutschland einladen. Sie ist rumänische Staatsbürgerin.“ Die höfliche Dame hinter der Panzerglasscheibe bedauert. „Dafür ist die deutsche Botschaft in Bukarest zuständig.“

Auf solche Antworten hin beginnt man gewöhnlich, Lebensgeschichten zu erzählen. Es muß an den skeptischen Blicken hinter den Panzerglasscheiben liegen, daß einem plötzlich selbst alles ganz verdächtig vorkommt.

Meine Bekannte wohnte zu der Zeit in Budapest, ist Stipendiatin der Universität, Abteilung Ethnologie. Zum Beweis reicht die Aufenthaltsgenehmigung nicht. Bescheinigung vom Rektor, Mietvertrag, notariell beglaubigt von der ungarischen Ausländerbehörde, gültige Rückfahrkarte, dreimonatige Krankenversicherung. Darf's noch ein Hygienezeugnis mit negativem Aids-Test sein? Ach ja, und die Einladung? Die stelle mein deutsches Meldeamt aus. Nur wegen der Einladung kann ich doch nicht 1.400 Kilometer weit fahren! Hier ist schließlich mein Zweitwohnsitz. „Bei einer deutschen Firma angestellt?“ – „Nein, freiberuflich.“

Die höfliche Panzerglasdame winkte ab. Da könne ja niemand garantieren, daß ich auch wirklich alle in Deutschland anfallenden Kosten, inklusive möglicher Abschiebung, für meine Bekannte übernehmen würde.

Meine Bekannte verzichtete letztendlich großzügig auf das Unmögliche: Ein Visum für Deutschland zu beantragen. Später habe ich sie in Rumänien besucht. Und mir sicherheitshalber vorher bei der rumänischen Botschaft in Budapest ein Visum besorgt. Ein Grobian, halb kommunistischer Beamter, halb Gangster, öffnete das Tor und schrie mich an. „Den Paß und 35 Dollar!“ Immerhin: Nach fünf Minuten kam er wieder und reichte mir schlechtgelaunt den Paß mit dem Visum. Und knallte das Tor zu. Keno Verseck

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