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Japan hält am Galgen fest

■ Überraschende Vollstreckung von drei Todesurteilen am Wochenende entmutigt Menschenrechtsorganisationen

Tokio (taz) – „Bei der Vollstreckung der Todesstrafe durch den Strang ist durch Überprüfung der Eintritt des Todes festzustellen. Der Strang darf frühestens fünf Minuten nach der Feststellung des Todes gelöst werden.“ Paragraph 72 des japanischen Strafvollzuggesetzes von 1908 war schon ein wenig in Vergessenheit geraten. Über drei Jahre lang blieb der japanische Galgen frei. Bis zu diesem Wochenende.

Wie immer, wenn in Japan der Henker kommt, hielt man die Öffentlichkeit im unklaren über das Geschehen. Das Justizministerium in Tokio veröffentlichte keinerlei Stellungnahme. Nur über inoffizielle Quellen erfuhren die japanischen Zeitungen von den Hinrichtungen im Knast. Gleich drei an einem Tag, möglicherweise am Freitag oder Samstag. So hart hatte Nippons Justiz innerhalb der letzten zwölf Jahre nur 1985 zugeschlagen, als ebenfalls drei Todeskandidaten an den Galgen mußten. Plötzlich sind alle Hoffnungen von 58 weiteren in letzter Instanz zum Tode Verurteilten und einer unbekannten Zahl von Verurteilten dahin, die noch auf ein Revisionsverfahren warten. Betroffene, ihre Angehörigen und Menschenrechtsgruppen hatten schon fast geglaubt, Japan habe die Todesstrafe womöglich stillschweigend abgeschafft. Gleich zwei aufeinanderfolgende Justizminister hatten sich geweigert, ihre letzte, gesetzlich unverzichtbare Unterschrift für die Vollstreckung der schrecklichen Strafe zu geben. Der japanische Außenminister Michio Watanabe hatte kürzlich sogar angedeutet, daß Japan „ernsthaft“ über den Beitritt zu einer UN-Resolution nachdenke, welche das Ende der Todesstrafe fordert. Damit ist es erst einmal vorbei.

Vollstreckt wurden die Todesurteile an drei wegen Mordes verurteilten Personen. Die Taten liegen bis zu zwanzig Jahre zurück. Inoffizielle Quellen identifizierten den 62jährigen Shujiro Tachikawa unter den Galgenopfern. Er hatte 1971 seine Mutter mit einem Zementblock erschlagen, um ihre Lebensversicherung einzukassieren. Danach wurde er auch für den Mord an seiner Frau schuldig gesprochen, die er laut dem Urteil erwürgte, nachdem sie den Mord an der Mutter beobachtet hatte. Tachikawas Revisionsanträge wurden 1981 vom höchsten Gericht zurückgewiesen. Seit zwölf Jahren wartete der Schuldiggesprochene auf die Vollstreckung des Urteils, die jederzeit ohne Vorankündigung geschehen konnte. Den Berichten zufolge fanden außerdem die wegen Mordes während eines Raubüberfalls Verurteilten Seikichi Kondo (55 Jahre) und Tesuo Kawanaka (48) den Tod, deren Taten rund 20 Jahre zurückliegen.

Für die Wiederanwendung der Todesstrafe trägt Japans neuer Justizminister Masaharu Gotoda die persönliche Verantwortung. Der 78jährige Gotoda wurde im Dezember während einer Kabinettsumbildung ins Amt gerufen, um Nippons politische Skandalsünder vor Gericht zu stellen. Gotoda, der innerhalb der Regierungspartei als unbändiger Außenseiter gilt, hat diese Erwartungen mittlerweile mehr als erfüllt. Aufgrund seines Kommandos sitzt heute Japans ehemaliger Fraktionsvorsitzender und heimlicher Regierungschef Shin Kanemaru hinter Gittern, was bis dahin undenkbar schien. Doch eben jene Kompromißlosigkeit zeigt Gotoda nun auch im Umgang mit der Todesstrafe: „Da es im System vorgesehen ist, muß die Todesstrafe angewandt werden, sonst wankt unsere Rechtsordnung“, erklärt er.

Erst im vergangenen Jahr hatten Robert Badinter, der 1981 für die Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich verantwortliche Justizminister, und der bis Ende 1991 amtierende japanische Justizminister Megumu Sato auf einer Veranstaltung in Tokio die Abschaffung der Todesstrafe gefordert, was als großer Erfolg der japanischen Menschenrechtsgruppen galt. Im Parlament hatten sich 182 Abgeordnete zu einem Menschenrechtsforum zusammengefunden, das für die Aufhebung der Todesstrafe eintritt. Allerdings gehörten nur acht davon den regierenden Liberaldemokraten an.

Der Vorsitzende des Forums, Satsuki Eda, bedauerte gestern die Urteilsvollstreckung: „Drei Jahre und vier Monate lang befand sich Japan im internationalen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe. Dieser Prozeß ist jetzt abgebrochen. Uns bleibt nur, gesetzliche Schritte im Parlament einzuleiten.“ Edas Einschätzung verdeutlicht auch, daß viele Gegner der Todesstrafe in den letzten Jahren darauf gesetzt hatten, daß die Regierung im administrativen Verfahren den Galgen beseitigt. Aus diesem Grund verzichtete beispielsweise auch amnesty international auf eine eigene Gesetzesinitiative. Georg Blume

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