: Izetbegović gibt Karadžić zehn Tage
■ Bosnischer Präsident nennt Milošević als Hauptschuldigen am Krieg/ Verlängerung des UN-Mandats für Kroatien?/ Nato will UN-Truppen verstärken
Belgrad/Zagreb (dpa/AFP/AP/ taz) – Der am Freitag unter Vermittlung der UN-Kommandanten Lars Eric Wahlgren und Philippe Morillon ausgehandelte Waffenstillstand in Bosnien-Herzegowina wird offenbar weitgehend eingehalten. Wie Radio Belgrad berichtete, herrschte am Sonntag in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo „absolute Waffenruhe“. Auch die Kämpfe in Nordbosnien und an der kroatischen Küste wurden eingestellt. Wenige Stunden vor Beginn dieses zweiten Waffenstillstandes war in weiten Teilen des Landes noch gekämpft worden. Der bosnische Rundfunk berichtete, Artillerie der bosnischen Serben habe erneut die Altstadt von Sarajevo beschossen.
Der bosnische Präsident Alija Izetbegović konkretisierte derweil in der kroatischen Hauptstadt Zagreb die Einschränkungen, unter denen er am Donnerstag den Friedensplan der UN-Vermittler Vance und Owen unterzeichnet hatte. Binnen zehn Tagen müßte nun nach Izetbegović und dem Präsidenten der international nicht anerkannten kroatischen „Republik Herzeg-Bosna“ auch der selbsternannte Präsident der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, das Abkommen unterzeichnen. Der Vance-Owen-Plan sieht eine Aufteilung Bosniens in zehn mehr oder minder selbständige Provinzen vor. Karadžić, dessen Truppen 70 Prozent der ehemaligen jugoslawischen Republik kontrollieren, verweigerte bisher die Unterschrift, da der Friedensplan den bosnischen Serben nur 40 Prozent des Territoriums zugesteht.
In einer Pressekonferenz bezeichnete Izetbegović erstmalig den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević als Hauptschuldigen am Krieg im ehemaligen Jugoslawien. „Milošević hat diesen Krieg begonnen, er führt ihn die ganze Zeit, und nur er könnte ihn beenden“, sagte der bosnische Präsident. Er erwarte nach seiner Unterschrift unter den Vance-Owen- Plan von der internationalen Gemeinschaft, daß sie ihre Verpflichtungen verwirkliche. Am Montag morgen wird Izetbegović mit dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman zu Gesprächen zusammentreffen. Inhalt der Unterredungen soll die Koordinierung der Politik gegenüber Serbien sein.
Wenige Tage vor Ablauf des UNO-Mandates für Kroatien am 31. März rechnet die kroatische Presse mit einer „Verlängerung im stillen“. Das Zagreber Boulevardblatt Večernji List berichtete am Samstag, eine Entscheidung über den zukünftigen Status der Blauhelme in der Republik werde um bis zu drei Monate aufgeschoben. Grund für diese überraschende Entscheidung ist nach Ansicht der Zeitung der Druck der USA auf die kroatische Regierung, der in den letzten Wochen verstärkt worden sei.
Die Nato beschloß, im Fall einer Umsetzung des Vance-Owen- Plans ihre Truppen im ehemaligen Jugoslawien um weitere 64.000 Mann zu verstärken. Das berichtete die Washington Post in ihrer Ausgabe vom Samstag. Der Kommandant des Bündnisses für Südeuropa, Admiral Jeremy M. Boorda, sagte auf einer Tagung in Stuttgart, die Stationierung leichtbewaffneter Truppen könne in den nächsten Wochen beginnen. Voraussetzung sei aber die Einhaltung des Waffenstillstandes durch alle Seiten. Ein französisches Flugzeug hat in der Nacht zum Sonntag erstmalig seit Beginn der Luftbrücke für Ostbosnien an Hilfsflügen für die belagerte muslimische Enklave Goražade teilgenommen. Der bosnische Rundfunk meldete am Samstag trotz der Hilfsflüge beginnende Versorgungsschwierigkeiten in der seit Monaten belagerten Stadt.
Eine Beteiligung der Bundesrepublik an den Hilfsflügen ist noch immer nicht in Sicht. In Bonn wird davon ausgegangen, daß die Bundesregierung angesichts der offenen serbischen Drohungen auf keinen Fall Flüge deutscher Besatzungen nach Bosnien schicken wird. Außerdem wies die Bundesregierug darauf hin, daß alle Entscheidungen bezüglich der Luftbrücke nach Bosnien bei den Vereinten Nationen lägen. Ein Spendenaufruf des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge erbrachte über 500 Tonnen Hilfsgüter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen