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Lederhosen bleiben in Hamburg

Volkspark-Stadion ausverkauft: HSV schlägt Bayern in der untergehenden Sonne mit  ■ 3:1

Sonntag abend in Hamburg-Stellingen. Unendliche Galaxien vom schnöden Bundesliga-Alltag entfernt. Von Westen streichelt die Sonne das Volksparkstadion. Kein Betongrau ist mehr zu sehen. Stattdessen Menschenmassen allerorts im seit sechs Jahren erstmals ausverkauften Stadion. Mutmaßungen, über den mangelnden ZuschauerInnenzuspruch des HSVs — etwa von Präsident Hunke, der die schlechten sanitären Anlagen des Stadions ursächlich für das permanente Ausbleiben der Fans ansieht — in die Bedeutungslosigkeit verbannt.

Mit dem 3:1 Heimerfolg gegen den FC Bayern München gelang es der von Benno Möhlmann gecoachten Riege, den Abstand des Tabellenführers Bayern München auf seinen ärgsten Kontrahenden Werder Bremen im Rennen um die deutsche Meisterschaft auf zwei Punkte schrumpfen zu lassen. Für den HSV, so Möhlmann, ginge es weiter darum, die Klasse zu erhalten. „Wir haben zwei Bonus-Punkte gemacht. Wenn sich eine Chance ergibt, bin ich der Erste, der einen UEFA-Cup-Platz fordern wird. Doch noch sind wir nicht soweit.“

Ansätze dafür hat die Mannschaft schon. Etwa der Hüter des HSV-Tors Richard Golz. Er bewies, daß sich auch seine Leistung unter der Ägide von Benno Möhlmann gesteigert hat, und nach dem Spielende überließ er jubilierend seinen Pullover dem Westkurvenmob, um mit stolzgeschwellter, wenn auch etwas bleicher Männerbrust in die Kabinen zu entschwinden. In der stürmischen Anfangsoffensive der Bayern entzauberte er mit einer von ihm nahezu unbekannten Souveränität auch die ambitioniertesten Angriffe von Matthäus, Thon und Consorten. Er bereitete der bestdotierten Balltreter-Equipe im Lande solche Frusterlebnisse, die ein Mann wie Lothar Matthäus nur noch dadurch zu kompensieren vermochte, daß er mehrfach enthemmt in die Werbebanden des Volksparkstadions eintrat und sich hernach wie sein Rhetorikkursgeschulter Kollege Olaf Thon in skatologische Ausdrücke flüchtete. Mies war es für die Bayern schon, wie der polnische HSV-Stürmer Jan Furtok sie düpierte: Ein genialistisch anmutender Pass in den freien Raum auf Thomas von Heesen, der in der 23. Minute den Führungstreffer besorgte, ein furioser Alleingang, den Furtok in der 70. Minute durch einen Schlenzer von der Strafraumgrenze selbst zum 2:0 vollstreckte, ließ die Herren von der Isar ganz, ganz müde ausschauen.

Ein technisch brillanter Volleyschuß von Armin Eck in der 80. Minute besiegelte dann die erste Auswärtsniederlage des FC Bayern, den Jorginho in der 86. Minute mit dem Anschlußtreffer zum 3:1 Endstand linderte.

Selbst Bayern-Trainer Erich Ribbeck war entzückt von dem Spiel seiner Mannschaft, mußte aber einräumen, „daß dieses Eingeständnis sich angesichts der Tatsache, daß wir drei Dinger gefangen haben, ziemlich blöd anhört.“ Das süffisante Grinsen von HSV-Manager Heribert Bruchhagen während des Ribbeck-Statements auf der Pressekonferenz unterstrich zumindest diese letzte Schlußfolgerung. kader/Claudia Thomsen

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