: „Indizierung ist ein Signal“
■ Bettina Brockhorst von der „Bundes- prüfstelle“ über jugendgefährdende Texte
taz: Frau Brockhorst, welche Kriterien legen Sie bei der Indizierung von Tonträgern zugrunde?
Brockhorst: Zunächst prüft eine Juristin aus dem Hause die Tonträger und Fanzine (rechte Livestyle- Magazine; A.R.) kurz vor, hört und liest, um festzustellen, ob ein Fall von Jugendgefährdung vorliegt. Wenn dem so ist, müssen sich die Mitglieder des Dreier-Gremiums das alles anhören und durchlesen. Kommen sie zu einem einstimmigen Urteil, daß die Texte rassistisch sind, zur Fremdenfeindlichkeit aufrufen oder Straftatbestände erfüllen, dann sind sie sofort indiziert. Bei einem anderen Abstimmungsergebnis muß das Zwölfer-Gremium zusammengerufen werden. Beiden Gremien gehören Leute aus dem Bereich der Kunst, der Literatur, dem Buchhandel, aus Jugend-, Wohlfahrts- und Kirchenverbänden an. Kriterien für eine Indizierung sind Rassenhaß, Volksverhetzung, Anstachelung zur Gewalt. Die Indizierung eines Tonträgers oder einer Broschüre wird im Bundesanzeiger bekanntgegeben. Damit treten dann die Vertriebsbeschränkungen in Kraft, etwa das Verbot, sie öffentlich an Jugendliche unter 18 Jahren zu verkaufen.
Welche Wirkung hat es, wenn eine solche Maßnahme lediglich Jugendliche unter 18 Jahren trifft?
Im besten Falle setzen wir ein Signal, indem wir sagen: Das wird als jugendgefährdend eingestuft. Auch appellieren wir damit an die Eltern, denen wir zur Anzeige raten, sollten ihre Kinder solche Lieder und Broschüren besitzen.
Und wenn Musikgruppen ihre Texte geringfügig ändern, neue Titel wählen?
Dann müssen wir eben prüfen und erneut indizieren.
1982 brachte die Gruppe Deutsch-Amerikanische Freundschaft das Lied „Tanz den Adolf Hitler...“ heraus. Niemand rief damals nach der Prüfstelle, die Texte wurden öffentlich diskutiert...
Heutzutage ist man eben durch die gewaltsamen Übergriffe etwas sensibler geworden.
Diskutieren Sie auch, ob Sie durch eine Indizierung nicht einen großen Teil der Jugend und ihrer Kultur kriminalisieren?
Sicher, aber es ist nicht die Musik, die bei der Indizierung den Ausschlag gibt, sondern der Text. Beides muß man natürlich mit der Freiheit der Kunst abwägen. Wenn aber die Texte so gefaßt sind, daß gegen Ausländer gehetzt wird, dann meine ich, daß die Indizierung nicht unbedingt gleich eine Jugendkultur kriminalisiert.
Nun gibt es ja noch andere Formen jugendlicher Subkultur: die Riot-Girls etwa, postfeministische Rockmusikerinnen. Die werben singend für Krawall und liefern Texte wie: „Tote Männer vergewaltigen nicht“...
Hier liegt kein Antrag zur Indizierung vor. Ich weiß nicht, ob die auf den Index kämen.
Insgesamt aber halten Sie die Indizierung von Rechtsrock für ein probates Mittel?
Naja, auf der einen Seite müssen wir die Jugend davor schützen, andererseits müssen wir Erwachsenen den Zugang ermöglichen. Das führt zwangsläufig zu Lücken. Und Jugendliche besorgen sich immer das, was sie hören wollen. Deswegen sage ich: Indizierung ist eben ein Signal. Interview: Annette Rogalla
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