: Wenig Spielraum auf der Spreeinsel
■ Berliner Regierungsviertel: Bis zum Sommer wird über den endgültigen Standort des Außenministeriums und das Schicksal des Staatsratsgebäudes entschieden
Berlin. Kaum ist zwischen Berlin und Bonn die Entscheidung über die zukünftige Nutzung der Spreeinsel gefallen, debattieren Berlins Politiker die Gestaltungsvorschläge, die man zuvor vermißte. Mit dem Bonner Beschluß, das Bundesaußenministerium dort anzusiedeln, sind jedoch Eckwerte gesetzt, die nur noch wenig Spielraum lassen. Die Überlegungen im federführenden Hause des Stadtentwicklungssenators Volker Hassemer (CDU) konzentrieren sich folglich darauf, diese Räume optimal auszunutzen, um trotz der von allen befürchteten Ansiedlung eines Beamtensilos urbanes Leben auf der Spreeinsel zu ermöglichen. Deshalb will Hassemer die 2.000 Mitarbeiter von Bundesaußenminister Kinkel auf der Fläche zwischen Werder- und Scharrenstraße konzentrieren. Das Herzstück der Insel, das Gelände des Palastes der Republik und des ihm vorgelagerten Marx- Engels-Platzes, will er hingegen einem öffentlichen Festhaus vorbehalten. Mit dieser Vorstellung geht Hassemer über die Vereinbarung des gemeinsamen Ausschusses Berlin/Bonn hinaus, der an diesem Ort neben dem Außenministerium lediglich ein Kongreßzentrum zulassen will.
Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP) forderte letzte Woche für ihren Kollegen Kinkel einen „Neubau auf dem Marx-Engels-Platz unter Einbeziehung des Palastes der Republik“. Gegenüber diesen Dominanzwünschen der Bundespartner zeigt sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen weit kompromißbereiter als sein Stadtentwicklungssenator. Er kann sich dort auch eine Unterbringung von Auswärtigem Amt und Kongreßhalle in einem gemeinsamen Gebäude vorstellen. Damit entspricht Diepgen einer Forderung der CDU-Fraktion, die den Umriß des Stadtschlosses in den städtebaulichen Wettbewerb einbezogen sehen will. An diesen Dimensionen orientiert sich auch die Vorstellung des stadtentwicklungspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Horst Kliche. Allerdings unterstützt er nicht die Forderung seines CDU-Kollegen Uwe Lehmann-Brauns, im darauf folgenden Architektenwettbewerb die Fassade des Schlosses festzuschreiben. „Völlig egal“ ist Lehmann-Brauns, wer hinter der Fassade residieren soll.
Mit der gleichen Vehemenz, mit der die CDU für die Stadtschloßhülle kämpft, verteidigt das Bündnis 90/Grüne den Palast der Republik. Es fordert jetzt eine Fachtagung über seine Asbestbelastung. Sollte eine wirtschaftlich vertretbare Sanierungsmöglichkeit gefunden werden, dann solle er erhalten bleiben. Kliche hingegen möchte die Teilnehmer des städtebaulichen Wettbewerbs über dessen Schicksal entscheiden lassen.
Im Hause Hassemer will man bis zum Juli die Vorgaben für diesen Wettbewerb formulieren. Offen ist bislang, ob dazu auch der Abriß des Staatsratsgebäudes gehört. Diepgen wäre bereit, es einem Außenamtsneubau zu opfern, und auch Hassemer sähe damit die Möglichkeit gegeben, die Straßenlandschaft in diesem Bereich auf ihre historischen Dimensionen zurückzuführen. Wie beim Palast der Republik wäre allerdings auch hier der Protest vorprogrammiert. Deshalb ist es wahrscheinlich, daß die Entscheidung über das Staatsratsgebäude den Teilnehmern des Wettbewerbes überlassen wird. Dieter Rulff
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