Kurswechsel in der Irak-Politik der USA

■ Washington macht Saddam Husseins Sturz nicht länger zur Bedingung für eine Aufhebung des UN-Embargos

Washington (wps/AP/dpa/ AFP) – Es gibt Kurswechsel in der US-Außenpolitik, die prominent angekündigt werden. Andere werden hingegen bekanntgemacht, indem die Sprecher der Regierung sich zu bestimmten Fragen ausschweigen.

Die Clinton-Administration entschied sich für die letztere Vorgehensweise, als sie am Montag eine Revision der Politik gegenüber dem Irak in Aussicht stellte. Eine Aufhebung des umfassenden internationalen Embargos gegen den arabischen Staat soll offenbar in Zukunft nicht mehr an den Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein geknüpft sein. Dieses Junktim war eine Erbschaft Clintons von seinem Vorgänger George Bush. Dieser hatte das Embargo mit dem Sturz von Hussein verbunden, obwohl keine der UN-Resolutionen gegen den Irak eine solche Interpretation auch nur im entferntesten zuläßt.

Sprecher der US-Regierung erklärten jetzt, es sei Clintons Ziel, die Frage des Embargos zu „entpersonalisieren“. Dies komme auch der Sicht befreundeter Staaten entgegen, die wiederholt darauf hingewiesen hätten, daß sie eine derartige Verknüpfung nicht für angemessen halten. Deutlich wurde diese Wende, als die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Anfang der Woche ihre routinemäßige Überprüfung der Sanktionen gegen den Irak vornahmen, die mit einer Verlängerung um mindestens zwei Monate endete. Mitglieder des State Department, des Weißen Hauses und die UN- Vertreter der USA verzichteten aber darauf, die alte Forderung nach Saddam Husseins Sturz als Bedingung für eine Aufhebung des Embargos vorzutragen, wie das bei früheren Gelegenheiten dieser Art Usus war.

„Darum geht es nicht“, wehrte die UN-Botschafterin der USA, Madeline Albright, anschließend entsprechende Fragen ab. Auch der britische UN-Botschafter David Hanney distanzierte sich von der Forderung, Saddam Husseins Sturz zu einer Bedingung für die Aufhebung des Embargos zu machen: „Die Weisungen meiner Regierung, die ich erhalten habe, um eine Überprüfung der Sanktionen vorzunehmen, stellen keine Verbindung zu einem Sturz von Saddam Hussein her“, erklärte er.

UN-Botschafterin Albright betonte anschließend zusammen mit Mitgliedern der US-Administration, Clinton werde keine „weichere“ Politik gegenüber dem Irak verfolgen als Bush. Es handele sich nicht um eine entscheidende Veränderung. Der Irak müsse die UN- Resolutionen alle erfüllen. Neben Beschwerden des UN-Sicherheitsrates, daß Bagdad sich weigere, das gesamte gestohlene kuwaitische Eigentum zurückzugeben, alle Gefangenen freizulassen, seine Produktion von Massenvernichtungswaffen ganz offenzulegen und die Unterdrückung der irakischen Schiiten und Kurden einzustellen, ist womöglich noch ein weiterer Konflikt zwischen Bagdad und der UNO entstanden: Nach Berichten, die vom US-Außenministerium bestätigt wurden, haben US-Aufklärungsflugzeuge einen Konvoi von Tanklastzügen entdeckt, der die Grenze zum Iran überschritten habe. Angeblich hat der Irak unter Verstoß gegen das Handelsembargo große Mengen von Öl in den Iran und nach Meldungen der Zeitschrift Middle East Economic Survey auch in die Türkei exportiert, um dafür Lebensmittel, Medikamente und Ersatzteile einzukaufen. Der Sprecher des Ministeriums, Richard Boucher, gab nicht an, wieviel Öl exportiert wurde. Teheran hat inzwischen bestritten, das Embargo gegen Bagdad verletzt zu haben.

Im irakischen Teil Kurdistans ist unterdessen ein Massengrab mit etwa 1.500 Leichen entdeckt worden. Nach einer Erklärung des oppositionellen Irakischen Nationalkongresses befindet sich das Grab auf dem Gelände des früheren Hauptquartiers des 5. Korps der irakischen Armee. Es handele sich bei den Toten um Kurden – Soldaten und Zivilisten, die während des Aufstandes im März 1991 nach dem Ende des Golfkriegs von irakischen Soldaten hingerichtet worden seien.