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Post: Adress-Lauschangriff?

■ Aktion „Mein persönliches Adressheft“ von dubiosen Firmen gestartet?

Täuschend echt sieht das Schreiben aus, das in diesen Tagen tausenden von Haushalten in den Briefkasten flatterte: Unter dem Briefkopf des Postdienstes heißt es da: „Sie bekommen neue Postleitzahlen. Damit sollen Sie keine Probleme haben. Die Post hilft Ihnen.“

Als „Ausgleich für die Mühe“ und als „Hilfestellung“ für die Umstellung der Postleitzahlen zum 1. Juli wird da ein „Geschenk“ angeboten, das es in sich hat: Das „persönliche Adressheft“ mit zehn aktualisierten Adressen — in der offensichtlich gefälschten Werbebroschüre ganz in postgelb gehalten. Um das zu erhalten, soll jeder Haushalt in einen beiliegenden, genormten Computerausdruck die eigene Adresse und die neun wichtigsten Adressen von Freunden, Verwandten und Geschäftspartnern eintragen. Möglichst umgehend erwartet nun eine Postfachadresse im westfälischen Gütersloh unter dem Kennwort „Neue Postleitzahlen“ tausende von derartigen Soziogrammen.

„Dieses Schreiben ist eine Fälschung!“ warnt nun der Bremer Postdienst: „Eine derartige 'Serviceleistung' ist aus Datenschutzgründen überhaupt nicht erlaubt“, sagt Sprecher Wolfgang Antelmann.

Daß die Fälschung „sehr gut gelungen“ ist, muß auch Antelmann zugeben: Der Vorspann des Schreibens ist originalgetreu Postdienst-Werbetexten für die neuen Postleitzahlen entnommen; auch ist die Unterschrift des Postdienst- Vorstandsvorsitzenden, Dr. Klaus Zumwinkel, auf den ersten Blick echt.

Doch die zuständige Oberpostdirektion bestätigt: In Gütersloh gibt es im Bereich Postdienst einige normale Postämter, ein Paketpostamt, einen Postkurierdienst, eine Bundespostbetriebskrankenkasse und eine Postbetriebsärztliche Dienststelle — aber keine Sonderdienststelle „Neue Postleitzahlen“. Und ein weiterer Fehler ist den Fälschern unterlaufen: Auf dem Rückumschlag ist in das Briefmarkenkästchen die Anweisung „Bitte freimachen“ aufgedruckt — doch sämtlicher Postverkehr betreffend den Postdienst selber, also nicht die Telekom oder die Postbank, ist weiterhin grundsätzlich gebührenfrei.

Bei Bremens oberstem Datenschützer Stefan Walz klingeln alle Alarmglocken: „Auch persönliche Kontakte — und damit deren Adressen — gehören zu den personenbezogenen Daten. Eine derart großangelegte Aktion, illegal solche Personendaten zu bekommen, hat wohl noch niemand erlebt.“ Allzu einfach könnten mit solchen „Soziogramm“-Dateien Abgleiche mit bereits bestehenden Dateien gemacht werden — ist der „Adressheft“-Anforderer Mitglied eines Buchclubs oder Kunde eines Erotik-Versandes, kann in dessen Umfeld zum Beispiel gezielt geworben werden. Für das „Direct-Mail“-System tun sich hier ganz neue Möglichkeiten auf. An das persönliche Adressbuch eines Verdächtigen zu kommen, wäre sowohl für die Polizei als auch für jegliche Geheimdienste wohl eine wertvolle Hilfe. Und: Obwohl über die Computervernetzung der deutschen Behörden immer viel geredet und geschrieben wird, ist sie noch nicht so weit gediehen, daß zum Beispiel das BAFÖG- Amt abtrünnige StudentInnen, die nach Abschluß des Studiums umziehen, dies nicht bekannt geben und sich so um die Rückzahlung drücken, bundesweit aufspürbar wären.

Wer nun den Riesenschwindel eingeleitet hat, darüber gibt es nur Vermutungen. Als wahrscheinlichste Variante gilt, daß eine neue Adressfirma in solche „Marktlücken“ stoßen will. Ganz nach dem Motto: Wer die Adressen hat, hat auf diesem Markt die Macht. skai

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