: Wie Bremen die Raser abkassieren will
■ Höhere Bußgelder für Verkehrssünder ab 1. April — im Stadtamt knallten die Sektkorken
Beim Stadtamt knallten gestern die Sektkorken. Im Zentrum der kleinen Feier: Wolfgang Jarre, zuständig für Verkehrsordnungswidrigkeiten. Jarre ist damit eine Schlüsselfigur für die Einnahmen aus Bußgeldern, die das Stadtamt eintreibt. Und die steigen ab 1. April 1993 drastisch und das vor allem — für Bremen interessant — innerhalb von geschlossenen Ortschaften: Wer 31 Kilometer schneller fährt als die Polizei erlaubt, blecht künftig 150 Mark. Von 41 km/h an ist man seinen Führerschein einen Monat los, 51 km/h zu schnell fährt, blecht zusätzlich 300 Mark und und hat 4 Pluspunkte in Flensburg. Abbiegen ohne zu Blinken — 20 Mark. Keine Rücksicht auf Fußgänger am Zebrastreifen — 100 Mark. Parken in der Feuerwehrzufahrt-75 Mark. Zu nahe an der Straßenbahnschine — 40 Mark. Parken auf Bürgersteigen — 75 Mark. Und so weiter. Omnibusse zahlen bei 21 km/h schon 160 Mark (1 Punkt), ein einfacher LKW, der 31 km/h zu schnell ist, zahlt 250 Mark — wenn er erwischt wird.
Trotz eindringlicher Nachfrage wollte das Bremer Innenressort gestern nicht mitteilen, wieviel Bußgelder derzeit etwa pro Monat eingenommen werden und wie eine grobe Prognose für die Einnahmeverbesserungen aussehen könnte. „Der Hintergrund ist nicht die Einnahmeverbesserung“, beteuert Pressesprecherin Pape- Port.
Gleichzeitig aber läßt der liberale Innensenator unter diversen rechtlichen Gesichtspunkten prüfen, ob das Eintreiben der Bußgelder nicht privatisiert werden könnte. Denn derzeit kontrolliert die Polizeibehörde nicht einmal, ob einzelne Bußgeld-Anhebungen ihr Ziel (offiziell: „Gefahrenabwehr“) wirklich erreichen. Das Stadtamt, so teilte das Innenressort der taz mit, weiß auch nicht, ob verstärkte Kontrollen in einem bestimmten Bereich der Verkehrsüberwachung sich mittelfristig auf das Verhalten der Autofahrer auswirken.
Sowohl unter verkehrspolitischen wie unter rein ökonomischen Gesichtspunkten ist das staatliche Bußgeld-System also völlig überholt. Eine Privatisierung könnt die Einnahmen verdoppeln, vielleicht sogar über die 10 Millonen-Grenze pro Jahr treiben.
Einen kleinen Vorgeschmack auf den Einnahmesegen wird der Monat April geben: Ein Gutteil der Autofahrer, davon geht man bei der Bremer Polizei aus, hält den neuen Bußgeldkatalog zum 1. April für einen Aprilscherz.
So ganz mochte sich die Behörde allerdings nicht bekennen: Offiziell war der Anlaß der kleinen Feierstunde im Stadtamt gestern ein anderer. K.W.
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