S-Bahn-Lückenschluß am Bundesplatz

■ Stahlbrücke komplettiert die Trasse des Südrings / 14 von 15 Bahnhöfen der Strecke sind schon saniert / Nagel: Eine der wichtigsten Bauetappen für öffentlichen Nahverkehr seit Jahrzehnten ist...

Schöneberg. Bausenator Wolfgang Nagel, geschützt von einem roten Bauhelm, hielt für einen Augenblick den Atem an: Ganz behutsam, getragen von zwei Lastkränen, hebt sich die 140 Tonnen schwere Gleisbrücke in die Höhe. Die Stahlkonstruktion schwebt ein paar Minuten über der Bundesallee. Dann senkt sie sich langsam auf zwei Schlitten, die die Brücke mit 45 Meter Spannweite in die endgültige Position auf die Widerlager fahren werden.

„Mit dieser spektakulären Baumaßnahme am neuen „S-Bahnhof Bundesallee“, erklärte Nagel gestern beim Ortstermin an der Bezirksgrenze von Schöneberg nach Wilmersdorf, „wird das letzte Brückenstück in die Verkehrstrasse des S-Bahn-Südrings eingepaßt“. Die 17,6 Kilometer lange Strecke der S4 zwischen Westkreuz und Neukölln sei damit geschlossen.

Mit der Inbetriebnahme der Linie von Charlottenburg über Wilmersdorf, Schöneberg und Tempelhof könne Mitte Dezember 1993 gerechnet werden, kündigte der Senator an. 1995 werde der zweite Abschnitt des „ehrgeizigen Projekts der Ringschließung“ (Nagel), die Verlängerung bis Haltestelle Baumschulenweg im Ostberliner Bezirk Treptow, fertiggestellt sein. Zu den S-Bahnhöfen, die im Rahmen der Wiederherstellung des S-Bahn-Südrings erneuert werden, gehört in besonderem Maße der frühere Bahnhof Wilmersdorf – jetzt „S-Bahnhof Bundesplatz“.

Warten auf 20.000 Umsteiger und 4.000 Einsteiger

Der gesamte Bahnhof, so Bauleiter Adam, „wurde 110 Meter nach Westen verschoben, um das Umsteigen zur U-Bahn-Linie 9 zu erleichtern“. Zusätzlich zur Modernisierung der Gleisbrücke und zum Neubau von Zugängen, Treppen- und Fahrstuhlanlagen zwischen den Bahnen wird noch eine Bahnsteigbrücke über der Bundesallee eingerichtet werden, versicherte Bauleiter Adam.

Warten auf 20.000 Um- und 4.000 Einsteiger

Am S-Bahnhof Bundesplatz werde im künftigen Betrieb der Bahn mit rund 20.000 „Umsteigern“ und 4.000 „Einsteigern“ gerechnet, die die renovierte Bahnanlage nutzen.

Der 1980 stillgelegte S-Bahn- Südring befindet sich in unterschiedlichen Bauphasen. Mehrere Teile davon sind im Endausbau. Mit Beginn der Bauarbeiten 1989 wurden von 15 Bahnhöfen 14 instand gesetzt und 1 Bahnhof (Oderstraße) neu geplant. Die 15 Brückenbauwerke waren ebenfalls reparaturbedürftig. Acht Brücken mußten neu konstruiert und sieben saniert werden. Darüber hinaus sind noch zwei Bahndammdurchstiche zu modernisieren.

Die immer wieder vom verkehrspolitischen Sprecher des Bündnis 90/Grüne, Michael Cramer, kritisierten Gesamtkosten für den voluminösen „Streckenneubau“ belaufen sich gegenwärtig auf rund 650 Millionen Mark.

In zwei Jahren soll auch die U2 wieder fahren

Zusätzlich kommen auf die öffentlichen Kassen bis 1995 noch 76 Millionen Mark hinzu, wenn die 3,4 Kilometer lange Strecke der S41 bis zum östlichen Baumschulenweg weitergeführt wird. Dann sei, betonte Senator Nagel, eine der „wichtigsten Bauetappen der letzten Jahrzehnte für den öffentlichen Personennahverkehr abgeschlossen“. Auch sei für das Jahr 1993 der Lückenschluß der U-Bahn-Linie 2 zwischen Wittenbergplatz und Mohrenstraße geplant. Rolf Lautenschläger