Verunsicherung und noch mehr Haß

Nach den Anschlägen im März fordert die israelische Bevölkerung größere Härte gegenüber den Palästinensern/ Rabin fürchtet wachsenden Widerstand in besetzten Gebieten  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Eine verunsicherte israelische Bevölkerung hat in den letzten Tagen immer lauter verlangt, daß die Regierung unverzüglich radikale Schritte unternimmt, um den „palästinensischen Terror zu liquidieren“. Vor allem müsse die Sicherheit der jüdischen Bürger im israelischen Kernland garantiert werden – durch weitmögliche Separierung der jüdischen von der palästinensischen Bevölkerung aus den besetzten Gebieten.

Gleichzeitig haben die rechten Oppositionsparteien die Verunsicherung und die Unzufriedenheit vieler Israelis – und den Druck demonstrierender Siedler – zu scharfen Angriffen auf die Regierung ausgenützt. Sie fordern die Bildung einer „nationalen Einheitsregierung des Notstands“, eine Art Kriegskabinett der Generäle, um den „totalen Krieg gegen arabischen Terrorismus“ zu führen.

Likudführer Benjamin Netanjahu verlangte, daß die Regierung Rabin abtritt, wenn sie nicht in der Lage ist, diese Gewalt effektiv zu bekämpfen. Die jetzt eng zusammenarbeitenden rechten Oppositionsparteien wollen Neuwahlen fordern, in denen die israelische Öffentlichkeit entscheiden soll, „ob der palästinensische Terror hier dominieren soll, oder eine vom Likud geführte Regierung, die persönliche und nationale Sicherheit bietet“.

Rabin und seine Regierungsmitglieder haben dies eindeutig abgelehnt: Die Opposition solle lieber, anstatt die Regierung in der gegenwärtigen Krise anzugreifen, Solidarität an den Tag legen und eng mit der Regierung zusammenarbeiten.

Nach Ansicht einiger Beobachter fühlt sich die Regierung jetzt unter einem fast hysterischen Oppositionsdruck gezwungen, eine Reihe von zum Teil bereits eingeführten Sicherheitsmaßnahmen in den besetzten Gebieten als neu bekanntzumachen. Durch die totale Abriegelung des Gaza-Streifens und des Westufers, die vor allem die Abwesenheit von palästinensischen Arbeitern in Israel selbst zur Folge hat, will sie einstweilen während der jüdischen Feiertage (Pessah) eine Barriere zwischen Israelis und Palästinensern schaffen, die den Behörden Zeit gibt, um mit Hilfe der Sicherheitskräfte der Lage erneut Herr zu werden.

Rabin fühlt, daß jetzt demonstrativ-drastische Schritte erforderlich sind, um die nun verbitterte Volksmeinung erneut hinter die Regierung zu bekommen. Gleichzeitig betont Rabin jedoch, daß er eine wirkliche Lösung der Probleme nur in der politischen Beilegung der Konflikte mit den Nachbarn am Verhandlungstisch sieht.

In Rabins letzten Äußerungen findet man Hinweise auf seine Absicht, bestehende rechtliche Interventionsmöglichkeiten des Obersten Gerichts gegen verschiedene militärische Maßnahmen in den besetzten Gebieten – zum Beispiel bei Einspruch gegen Häuserzerstörung und anderen Strafaktionen – mit Hilfe neuer Gesetze abzuschaffen oder wenigstens weitgehend einzuschränken. Gesetzliche Neuregelungen lassen sich jedoch nicht einfach von heute auf morgen durchsetzen: Deshalb wird es einstweilen eine Reihe von militärischen Verordnungen im Rahmen des bestehenden Rechts geben.

Vor dem Sicherheitsausschuß der Knesset führte Ministerpräsident Rabin am Dienstag aus, daß die gegenwärtige Aufgabe der Armee in den besetzten Gebieten vor allem in der Zerstörung des „harten Kerns“ des Widerstands besteht. In diesem Zusammenhang werden Razzien in Moscheen, Druckereien usw. durchgeführt und die finanziellen Unterstützungsfonds abgeschnitten.

Der Ministerpräsident warnt jedoch vor der Gefahr aktiveren Protests und explosiveren Formen des breiteren Widerstands in den besetzten Gebieten als Folge der Abriegelung des Westufers und des Gaza-Streifens. In diesem Zusammenhang wurden die vorhandenen Streitkräfte in den besetzten Gebieten durch Nachschub verstärkt.

Es gibt auch andere Widersprüche, die es der Regierung nicht leichtmachen, eine effektive Politik gegenüber dem organisierten oder dem jetzt häufigeren individuellen Widerstand der zutiefst frustrierten, drangsalierten und perspektivlosen Arbeitslosen, deren Existenz keinen Sinn mehr macht, durchzuführen. Die Unterdrückungsmethoden erzeugen noch mehr Haß und stärken den Widerstandswillen unter der notleidenden Bevölkerung in den abgeriegelten besetzten Gebieten. Der Teufelskreis der Gewalt wird also nicht durchbrochen, sondern droht noch mehr Opfer zu fordern als bisher.

Unter den drastischen Maßnahmen, die angeblich im Verteidigungsministerium bereits diskutiert werden, ist die Zerstörung ganzer Wohnviertel in den besetzten Gebieten, und die Zwangsumsiedlung oder Exilierung von Bevölkerungsteilen, die verdächtigt werden, Guerillas zu helfen. Unter solchen Bedingungen wird es der palästinensischen Delegation noch schwerer fallen, am 20. April zum Verhandlungstisch in Washington zurückzukehren.

Die Arbeitslosigkeit in den abgeriegelten besetzten Gebieten nimmt sofort enorm zu. Andererseits hat die israelische Wirtschaft keine Alternativen für die Abwesenheit von 120.000 Taglöhnern aus den besetzten Gebieten, die durchweg schwere Arbeiten verrichten, die Israelis unter den angebotenen Bezahlungsbedingungen nicht bereit sind zu übernehmen. 75 Prozent aller Bauarbeiter in Israel kommen aus den besetzten Gebieten, und ihre Abwesenheit bringt die Bautätigkeit fast ganz zum Stillstand.

Das gilt auch für verschiedene Zweige der Landwirtschaft, des Tourismus und anderer Dienstleistungen, die ohne palästinensische Arbeit entweder nicht auskommen oder nicht mehr als profitabel gelten. Die Bezahlung für palästinensische Arbeiter liegt 30 bis 40 Prozent unterhalb der üblichen Tarife für Israelis.