: Wegtreten, aus übergeordnetem Interesse
Günther Krause fährt gern Auto und ist gern Minister, macht gern Geschäfte und hat's im Haus gern sauber. Die Vielzahl seiner persönlichen Interessen sorgt sogar in Bonn für Bewunderung. Kohl mag's nicht hören, doch ein Schluß liegt am nächsten:
Günther Krause hat Probleme mit der Unterscheidung von persönlichen und übergeordneten Interessen. Der Ostdeutsche, der seinen Landsleuten zwischen Ostsee und Riesengebirge in den vergangenen zwei Jahren vor allem neu erworbene Bürgerrechte genommen hat, nimmt selber seine Rechte als Verkehrsminister zwanglos und im Übermaße wahr. Mehr Straßen müssen sein, denn: „Ich fahre selbst viel zu gerne Auto.“
Dieses Mißverhältnis von Egomanie zu Demokratie hat des Ministers Arbeit von Beginn an geprägt. Schon in einem seiner ersten Interviews bekannte sich Günther Krause dazu, gern „unkonventionelle Wege“ zu fahren. Der Verkehrs-Zweck heiligt für ihn die Verfassungs-Mittel: Die gleichmäßige Verteilung von Autobahnen in Ost und West schafft die geforderten einheitlichen Lebensverhältnisse. „Auch das ist Verfassungsrecht.“
Angetreten auf seinem unkonventionellen Weg ist Krause schon als Mitglied der DDR-Verhandlungskommission für die deutsche Einheit. Die Mitglieder dieser Kommission setzten sich nämlich souverän über Gesetze und den erklärten Willen der erstmals frei gewählten Volkskammer hinweg: Sie verbauten den DDR-Kommunen das Recht auf eigene Stadtwerke – eine Rechtsauffassung, die derzeit das Bundesverfassungsgericht beschäftigt.
Im Kabinett Kohl hat sich Krause dann als Minister für Bürgerrechtseinschränkungen einen Namen gemacht. Solche Bürgerrechte stünden dem Aufschwung Ost im Wege, hat der Minister in einem Crashkurs westdeutscher Geschichte gelernt: „Der Aufbau im Westen ist nach dem Krieg nur so schnell gelungen, weil die Vorschriftenwelt seinerzeit nicht zu kompliziert war.“
Vor allem die beim Straßenbau vorgeschriebene Beteiligung der Betroffenen war dem Herrn der Straßen ein Hindernis. Sein Ministerium brachte 1991 gleich zwei Gesetze auf den Weg, um die Hürden der Demokratie zu überspringen: das Beschleunigungsgesetz und das Konzept von Maßnahmengesetzen. Das Beschleunigungsgesetz sieht den regelmäßigen Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfungen vor — der Verwaltungsschritt, bei dem die Bürger des Rechtststaates Westdeutschland beizeiten gegen unsinnige Planungen protestieren konnten. Das Gesetz beschränkt außerdem die Möglichkeiten, gegen Straßenbauprojekte vorzugehen, auf eine Instanz: das oberste Verwaltungsgericht. Für seine 17 Lieblingsprojekte „Verkehrswege deutsche Einheit“ war dem Minister für ungewöhnliche Wege das immer noch zu viel Bürokratie. Sie sollen direkt vom Bundestag beschlossen werden. Folge: Betroffene können gegen die Straße in ihrem Vorgarten nurmehr vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. „Gegenüber den Verhältnissen in der damaligen DDR“, so Krause zu seiner Verteidigung im Spiegel, „haben wir jetzt den entscheidenden Vorzug, daß ein hohes Maß an Rechtssicherheit gegeben ist.“
Noch mehr Rechtssicherheit wäre allerdings (vor allem für den Osten) gegeben, wenn der Minister abträte — aus übergeordneten Interessen. Hermann-Josef Tenhagen
Günther Krause hat Probleme mit der Unterscheidung von Interessen – nicht nur in der Verfolgung seiner Politik (s. links), sondern auch in seinem Geschäftsgebaren. Sieben Beispiele zählt die taz-Redaktion bisher.
Die Villen-Affaire (1990): Krause weigert sich, eine für 780 DM gemietete Villa am Berliner Müggelsee gegen ein Ersatzquartier zu tauschen. Das Haus war für Behinderte geplant und deshalb schwellenlos. Krause: „Ich fahre auch im Haus gerne Auto!“
Die Raststätten-Affaire (1991): Der DDR-Staatssekretär Krause verschacherte am 7.9.90 unter dubiosen Umständen 41 Raststätten- Standorte an die niederländische Hotelkette Van der Valk zu sensationell niedrigen Tarifen (Schmiergeldverdacht). Die Entscheidung mußte inzwischen zurückgenommen werden. Krause: „Ich wüßte nicht, an welcher Stelle ich etwas falsch gemacht habe.“
Die Ostsee-Autobahn-Affaire (1991): Im Zusammenhang mit der Vergabe von Autobahnprojekten setzte Krause sich massiv für die Beteiligung einer Ingenieursfirma an der Planung der Küstenautobahn A 20 bei Rostock ein. Seine mündlichen Zusagen mußte er unter politischen Druck zurücknehmen. Krause: „Die Vorwürfe bedrücken mich in keiner Weise.“
Die Blaumacher-Affaire (1991): Am Tag vor seiner Vernehmung im Schalck-Untersuchungsausschuß blickte Krause, gemeinsam mit guten Freunden, ein wenig zu tief ins Glas. Wegen „einer schweren Bronchitis und Kreislaufbeschwerden“ ließ sich der gestreßte Minister entschuldigen. Die Krankheit hinderte ihn aber nicht, vier Tage später, erneut in der Klause, den Bau eines Jachthafens samt Hotels und Ferienhäusern zu projektieren, wodurch acht Landbesitzer (darunter auch Familie Krause) um einiges wohlhabender werden sollten. Krause: „Ich habe mich in keiner Weise für dieses Projekt persönlich engagiert.“
Die Putzfrauen-Affaire (1993): Familie Krause ließ sich ihre Putzfrau seit Ende 92 zu 70 Prozent als „Wiedereingliederungsmaßnahme für Langzeitarbeitslose“ vom Arbeitsamt bezahlen. Lohn der Putzfrau: 858 Mark monatlich. Gehalt des Ministers: 30.000 Mark monatlich. Krause zahlt die Zuschüsse zurück. Dennoch: „Ich habe absolut kein Schuldbewußtsein.“
Die Elbo-Baukonzern-Affaire (1993): Krause hat sich nach Informationen des Spiegels in den vergangenen Jahren massiv für westdeutsche Kaufleute eingesetzt, die bei Geschäften mit dem Rostocker Baukonzern Elbo Millionenbeträge kassierten. Krauses Ehefrau Heidrun hat zudem der „Heimbau Nordost“ für 1,2 Millionen Mark ein Grundstück verkauft, das innerhalb weniger Monate vom Acker- zum Bauland wurde. Statt der ortsüblichen allenfals 35 bis 80 Mark wurden 120 Mark gezahlt. Die Baufirma hat ihren Sitz auf Krauses Grundstück in Börgerende. Krause: „Alte Vorwürfe, längst widerlegt.“
Die Schulflug-Affaire (1993): Sohn Christian fliegt 1991 mit und auf Kosten der Bundesluftwaffe mit Vater und Mutter von Washington D.C. über Jacksonville in Florida nach San Francisco zur Schule. Die Abrechnung des Fluges wurde vom Verkehrsministerium „schlicht übersehen“. taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen