Gegen "westliche Maßstäbe"

■ Bei der Bangkoker Menschenrechtskonferenz geraten Regierungsvertreter und NGOs aneinander / "Sind Asiaten unempfindlicher gegenüber Haft und Folter?"

Bangkok (taz) – „Die vierte Generation von Kommunisten“ sind jene, die über verfassungsgemäße Wege Themen wie Demokratisierung, Menschenrechte, Umweltschutz und Entpolitisierung der Streitkräfte diskutieren. So jedenfalls sieht es die indonesische Regierung, Bremser bei der viertägigen Tagung, auf der sich die Vertreter von 49 asiatischen Regierungen auf die Internationale Menschenrechtskonferenz vorbereiten, die ab 14.Juni in Wien stattfinden wird.

Die Delegierten der Asien-Pazifik-Region diskutieren bis zum heutigen Donnerstag in Thailands Hauptstadt Bangkok vornehmlich darüber, wie sie dem Druck der westlichen Demokratien zur besseren Wahrung der Menschenrechte in dieser Region entgegentreten können.

Für Indonesiens Präsident Suharto ist die Frage bereits gelöst: Westliche Maßstäbe können für Asien nicht gelten. Und auch Thailands Premier Chuan Leekpai erklärte in seiner Eröffnungsrede zwar, sein Land unterstelle sich der Internationalen Menschenrechtskonvention, doch könnten die westlichen Industrienationen diese den Ländern Asiens nicht aufzwingen.

Bei der Konferenz der Regierungen blieben die 126 eingeladenen Nicht-Regierungsgebundenen Organisationen (NGOs) auf der Strecke. Nachdem sie in den vergangenen Wochen vor allem Indonesien, Birma und China erheblicher Menschenrechtsverletzungen anklagten, mußten sie nun bei den meisten Sitzungen der Regierungsvertreter vor der Tür bleiben. Indonesien setzte auch durch, daß zwei japanische NGOs ausgeschlossen wurden, weil sie sich in der Ost-Timor-Frage engagiert hatten. Lediglich zu einer einstündigen Diskussion mit dem Komitee, das die Abschlußresolution vorbereitet, durften die unbequemen Unabhängigen erscheinen. „Dennoch“, so sagt der amerikanische Konferenzbeobachter Tony Gillotte, „ist allein schon die Reaktion Indonesiens ein Sieg für westliche Menschenrechtsorganisationen. Suharto, Führer der Blockfreien-Bewegung, erkennt an, daß seine Militärs ganze Volksgruppen in Indonesien brutal unterdrücken.“

„Ist ein Asiate unempfindlicher gegenüber Haft und Folter? Weinen asiatische Familien nicht, wenn ihre Angehörigen von der Polizei verschleppt werden und spurlos verschwinden?“ fragt der Menschenrechtler José Ramos Horta. Doch den Regierungen der Asien-Pazifik-Region, so wurde bei der Konferenz klar, geht es in erster Linie zunächst um wirtschaftliche Blüte und dann erst um die Wahrung der Interessen ihrer Bevölkerungen. Die NGOs hatten in ihrer Resolution nicht nur Folter, willkürliche Erschießungen mutmaßlicher Gesetzesbrecher durch Staatsorgane und Verhaftungen politisch Andersdenkender angesprochen, sondern auch grundsätzliche Fragen wie zum Beispiel den Schutz der Arbeiter vor Ausbeutung durch die Industrie. Gewerkschaften, soweit sie überhaupt existieren, sind in den Ländern Asiens entweder ein verlängerter Arm der Regierungen oder werden an der Ausübung ihrer Rolle gehindert. Peter Dienemann