Durchs Dröhnland
: Die schnellste Maus von Mexiko mit Hooklines

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Was waren das noch für Zeiten, als er in einem schwarz-gelb gestreiften T-Shirt, das ihm seinen Spitznamen Sting eintragen sollte, den Baß zupfte und absoluten Blödsinn wie „Canary In A Coalmine“ oder „De Do Do Do, De Da Da Da“ sang. Und jeder, der jetzt behauptet, er hätte Police dafür nicht geliebt, hätte nicht von „Roxanne“ ein schweres Herz bekommen und statt dessen damals schon gewußt, was aus dem Mann einmal für ein Arschloch werden würde, lügt oder war schon damals senil. Zugegebenermaßen krankte Stings Psyche schon immer nicht gerade an mangelndem Selbstbewußtsein. In Interviews gab er solche Dinge von sich: „Ich möchte mich ausdrücklich auf die Beatles berufen. Sie sind die Leute, auf die ich in Augenblicken des Zweifels schaue.“ Nach der nie offiziell verkündeten Auflösung von Police war ihm nichts mehr heilig. Er zog durch die Lande, hielt sein Gesicht in jede verfügbare Kamera, holte die Grammies mit der Schubkarre ab, verführte junge hoffnungsvolle Jazzer, mit ihm zusammenzuspielen, und engagierte jede denkbare ethnische Gruppe, deren Musik er dann gnadenlos ausschlachtete. Schließlich war er sich nicht einmal zu blöde, den Dire Straits sein Stimmchen als Background-Untermalung zu leihen für einen Anti-MTV-Song — hat man jemals etwas Verlogeneres gehört? Inzwischen ist der gelernte Grundschullehrer auch noch Filmstar und leidet an „retrograder Selbstüberschätzung“ (Village Voice). Keiner stört sich mehr daran, daß seine Stimmbänder nicht dem gewachsen sind, was er von ihnen verlangt: Was rauskommt, ist Marvin Gaye für Arme. Aber alle lieben ihn für sein ökologisches Bewußtsein, seine sozialkritische Attitüde und seine stimmungsvollen Liebeslieder.

Am 2.4. um 20 Uhr in der Deutschlandhalle, Messedamm, Charlottenburg

Zurück zum Angenehmen. The Mono Men kommen zwar aus einer kleinen Stadt, die nur 80 Meilen von Seattle entfernt liegt, behaupten aber steif und fest, keinen Grunge spielen zu wollen. Tun sie auch nicht, dazu sind sie gar nicht schleppend genug. Was nicht heißt, daß sie nicht auch dicke, fette Gitarren am liebsten haben. Doch die Struktur der Mono Men erinnert ganz eindeutig an 50er Jahre Rock 'n' Roll. Man stelle sich eine klassische Rockabilly-Band vor, die richtige elektrische Instrumente und mächtige Verstärker benutzt. Dazu Gesangslinien und eine Stimme wie vom Psychobilly. Und die folgende Geschichte glaubt man Sänger John Mortensen aufs Wort: „Ich habe Metal Bands in der Stadt gesehen, die neben uns aussehen wie kleine Jungs. Die stehen auf der Bühne mit ihren verdammt großen Verstärkern und denken, sie sind richtig große, harte Jungs mit ihren Gitarren. Wir sind zehnmal lauter als jeder von diesen Clowns.“

Am 3.4. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Über Das Neue Brot wurden auf den gestrigen Kulturseiten schon reichlich Worte verloren, deshalb schnell weiter zu den anderen Bands. Once Upon A Time, ursprünglich aus Australien, aber schon lange in Berlin beheimatet, sind immer wieder beliebt als Nick-Cave-Ersatz – was den Herren zwar gar nicht paßt, aber nicht zu vermeiden ist, wenn man so traurig dahersingt. Zum Festhalten sind nur leere Whiskeygläser erlaubt. Shock Factor kommen nicht an ihren Namen ran, spielen aber versierten Hardcore, frisch aus der Sonne Kaliforniens, mit der politisch korrekten Einstellung und den pogotechnisch korrekten Breaks. Aber richtig großartig, göttlich sind natürlich das Neue Brot. (Das mußte mal gesagt werden.)

Am 3.4. um 20.30 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Seit dem Tod von Richie Valens und dem Abtauchen der Los Lobos ist ganz Mexiko wieder von der Rock-Landkarte verschwunden. Dabei wäre das Land – eingeklemmt zwischen eigenständiger lateinamerikanischer Tradition und imperialistischem US-amerikanischem Einfluß – geradezu prädestiniert, die beiden Strömungen zu verschmelzen. Es ist auch geschafft, es gibt Maldita Vecindad, die in ihrer Heimat schon längst zu Helden wurden und sich nun anschicken, der Welt zu beweisen, daß Tex-Mex nicht die einzige Möglichkeit ist, Rock 'n' Roll auf spanisch zu spielen. Maldita Vecindad beschränken sich nicht darauf, der schnellsten Maus von Mexiko die Hooklines beizubringen, sondern sind von allem beeinflußt, was um sie herum geschieht. Manchmal muß man an die eigenen Tanzstundenzeiten denken, mal ist es dümmstes Middle-of-the-Road-Radio, aber auch mal Punkrock oder schlichter Reggae – denn so weit ist auch Jamaika nicht. Ihre Leistung ist es, all dies so selbstverständlich vorzutragen, wie es nun einmal ist, denn schließlich sind sie mit diesen Einflüssen aufgewachsen. Allerdings, wenn ich mir vorstelle, wie man Ernst Mosch, Roy Black, Can und Deep Purple zusammenbringen sollte...

Am 4.4. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Brachland glauben im handgeschriebenen Info, ihre Wirkung wäre vergleichbar mit der eines „leidenschaftlichen, achttägigen Ficks“. Die drei Herren neigen zur juvenilen Anmaßung, aber man darf sagen, daß ihr Noise Rock mit düsterer Grundstimmung zumindest ausbaufähig ist. Bei Bad Communications geht es immer schön vorwärts, keine Dribblings, keine unnötigen Ballverluste, deutsche Texte, gröhltaugliche Melodieführung, dezente Breaks. Erinnern mich persönlich sehr an die Toten Hosen in ihren Anfangs- sprich: besten Tagen. Gute Laune guaranteed.

Am 3.4. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Bitte schließen Sie die Augen. Stellen Sie sich vor, die siebziger Jahre wären immer noch nicht vorbei. Ja, Schlaghosen mit angenähten Borten, Hemdkragen bis zum Nabel, Koteletten bis zum Knie – wir sind angekommen. Neben Hollywoodschaukeln, elektrischen Korkenziehern und evangelischen Gemeindehäusern wartete jenes verfluchte Jahrzehnt mit noch einer weiteren Geißel der Menschheit auf: Der Rock-Show. Diese Veranstaltungen changierten zwischen politischem Ernst und peinlichem Schwachsinn, also zwischen Lokomotive Kreuzberg und Insterburg & Co. Inzwischen fehlen die Inhalte völlig, jetzt geht es nur noch um Klamauk. Hot Five and the Sicks dürften ähnlich gehaltvoll sein wie ein Nachmittag mit RTL, aber vielleicht lustiger.

Am 4.4. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Damals war das Radiosoße, heutzutage liebt es jeder und feiert es als authentischen Soul. Allerdings gibt es nicht mehr allzu viele Überlebende von Motown, die sich auch noch musikalisch ausführlich an ihre Vergangenheit erinnern wollen. Edwin Starr war in den goldenen Jahren hauptsächlich Songschreiber für die Hitfabrik, sang auch selbst, aber seinen größten Erfolg sollte er erst fast 20 Jahre später haben, als Bruce Springsteen sein „War“ noch einmal aufnahm und dem längst Vergessenen noch einmal kräftig Tantiemen in die Taschen schaufelte. Ansonsten garantiert Edwin Starr sicherlich einen absolut keimfreien, aber nichtsdestotrotz lehrreichen nostalgischen Abend.

Am 8.4. mit Trevor Wilson bei der „Pinguin Party“ in Huxley's Neuer Welt Thomas Winkler