Ein weiterer rein symbolischer Beschluß

■ Ohne verschärfte Sanktionsmaßnahmen gegen die serbische Seite nützt den Bosniern das beschlossene Flugverbot nichts

Da hat der Sicherheitsrat Serbenführer Karadžić aber einen gehörigen Schreck eingejagt. Nun wird das „Parlament“ der selbsternannten „Republica Serpska“ bei seiner heutigen Sitzung im südwestbosnischen Bileca den Vance/ Owen-Plan sicher ohne weitere Verzögerung einstimmig billigen. Gemäß dem Plan tritt dann 48 Stunden später ein Waffenstillstand in Kraft und beginnt der Rückzug aller Truppen. Und ab Montag herrscht dann Frieden in Bosnien-Herzegowina.

Leider ist dies nicht das Szenario, das zu erwarten ist. Denn mit der jüngsten Bosnien-Resolution hat das UNO-Gremium seine Befähigung zur Verabschiedung rein symbolischer Beschlüsse ein weiteres Mal übertroffen. Fast alle dürften zufrieden sein. US-Präsident Clinton kann seine bislang stets nur zu Wahlkampf- und anderen Zwecken behauptete Solidarität mit den bosnischen Moslems endlich unter Beweis stellen. Sein Amtskollege Jelzin kann beim Treffen der beiden Präsidenten am Sonntag in Vancouver die Zustimmung Rußlands als einen Beleg für Moskaus ungebrochene Kooperationsbereitschaft mit Washington herausstellen. Nachdem sein UNO-Botschafter Woronzow bei Verhandlungen unter den Sicherheitsratsmitgliedern dafür gesorgt hat, daß jetzt nicht zugleich auch verschärfte Sanktionsmaßnahmen gegen die serbische Seite beschlossen wurden, dürfte der Beschluß Jelzin auch keine zusätzlichen Probleme mit seinen innenpolitischen Gegnern bescheren. Der Bonner Bundesregierung liefert der Beschluß einen willkommenen Vorwand, den Krieg in Bosnien für ihre innenpolitischen Interessen zu instrumentalisieren und der Farce um die deutsche Beteiligung an Awacs-Operationen einen neuen Akt hinzuzufügen.

Den seit Monaten schwer drangsalierten Einwohnern Srebrenicas und anderer ostbosnischer Städte nutzt es überhaupt nichts, daß Nato-Kampfjets ab nächsten Donnerstag in der Luft befindliche serbische Flugzeuge abschießen dürfen. Denn die Serben beschießen Srebrenica und die anderen Städte fast ausschließlich mit Panzern und schwerer Artillerie — seit Monaten. Für die von Soldaten der UNPROFOR seit Verhängung des Flugverbots am 9. 0ktober 92 registrierten fast 500 militärischen Flugbewegungen war zwar fast ausschließlich die serbische Seite verantwortlich. Doch in über 95 Prozent der Fälle flogen keine Kampfjets, sondern Militärhubschrauber, die Soldaten, Verwundete oder Munition transportierten. Bombardierungen gegnerischer Ziele durch serbische Kampfflugzeuge, wie sie letzte Woche von UNPROFOR-Soldaten in Ostbosnien beobachtet wurden, bildeten in den letzten sechs Monaten die Ausnahme.

Alle militärischen Beobachter sind sich darüber einig, daß die schweren Artilleriegeschütze, Panzer und anderen Bodenwaffen entscheidend für die serbische Kriegsführung sind. Sie rechnen damit, daß sich die Serben spätestens ab nächsten Donnerstag strikt an das Verbot halten werden und daß es daher nicht zu militärischen Auseinandersetzungen mit Nato- Kampfflugzeugen kommen wird. Aus dieser Einschätzung heraus war es auch Frankreich und Großbritannien jetzt möglich, ihre in der Vergangenheit geäußerten Bedenken wegen möglicher serbischer Vergeltungsschläge gegen französische und britische Bodentruppen in Bosnien zurückzustellen und die jetzige Resolution mitzutragen.

EG-Unterhändler Owen hatte schon vor der Abstimmung deutlich gemacht, daß er und UNO- Unterhändler Vance einen Beschluß nur zur Durchsetzung des Flugverbots für „lediglich symbolisch“ und „völlig unzureichend“ halten würden. Sie verlangten, daß der Sicherheitsrat jetzt auch verschärfte Wirtschaftssanktionen gegen Belgrad beschließt und durchsetzt. Nur so könne der notwendige Druck entstehen, um Serbenführer Karadžić zur Unterschrift unter das Bosnien-Abkommen zu bewegen. Tatsächlich faßte der Sicherheitsrat wegen Bedenken der USA nicht einmal einen Beschluß zur ausdrücklichen Unterstützung des Vance/Owen-Planes. Damit hatten Vance und Owen allerdings fest gerechnet.

Die beim jetzigen Stand der Dinge völlig unverständliche Begründung für Washingtons Zurückhaltung: man wolle den Kriegsparteien keine Lösung aufzwingen und daher weiter verhandeln. UNO-Diplomaten in Genf und New York halten jetzt folgendes Szenario für die nächsten Wochen oder Monate für realistisch: die bosnischen Serben verweigern bei der heutigen Sitzung ihres „Parlaments“ die Zustimmung zum Vance/Owen-Plan, stellen zugleich demnächst alle Kampfhandlungen ein und lassen Hilfslieferungen ungehindert passieren. Der Sicherheitsrat verzichtet daraufhin auf weitergehende Beschlüsse, und der Status quo einer serbischen de- facto-Kontrolle von über 70 Prozent des bosnischen Territoriums wird eingefroren. Andreas Zumach, Genf