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»Beides muß parallel erfolgen«

Lenkt die »Qualität-der-Lehre-Diskussion« von schlechten Bedingungen ab? / Frage an  ■ Barbara Vogel

taz: 1993 soll die Hamburger Uni unter dem Motto „Qualität der Lehre“ stehen. Was steckt dahinter?

Vogel: Ich wollte mit dieser Idee Schwung in die Diskussion bringen. Denn es gehört eine Menge Kraft dazu, sich des Problems der Lehre wirklich anzunehmen und etwas zu verbessern. Allerdings muß bei der Beurteilung der derzeitigen Hochschulsituation berücksichtigt werden, daß wir seit 1977, mit dem Öffnungsbeschluß der Hochschulen, die sogenannte Überlast tragen, also wachsende Studenten- und Studentinnenzahlen. Ich nenne das „sogenannte“ Überlast, weil man Menschen ja eigentlich nicht als „Last“ bezeichnen sollte.

Die Studenten sind mit Forderungen viel zu flau

Es sollte sich dabei um einen Zeitraum von zehn, fünfzehn Jahren handeln, bis sich der sogenannte Studentenberg wieder auf einen Normalpegel einstellt. Tatsächlich ist es aber überhaupt kein Berg gewesen, sondern die Studentenzahlen haben sich auf einem Hochplateau eingependelt und werden dort bleiben. In der Phase dieser sogenannten Überlast haben die Hochschulen enorme Leistungen erbracht. Dennoch gibt es Bildungspolitiker, die von selbstverschuldeter Krise der Hochschulen sprechen. Sie tun so, als hätten wir 15 Jahre lang geschlafen. Tatsächlich aber haben wir rund um die Uhr gearbeitet. Das führt natürlich zu Erbitterung.

taz: Ist es für die Uni nicht gefährlich, die Qualität der Lehre in den Vordergrund zu stellen? Handelt es sich dabei nicht um einen Versuch der Politiker, von ihrer Verantwortung abzulenken?

Vogel: Wie gesagt, es ist unerhört, angesichts der enormen Leistungen, die wir erbracht haben, von einer selbstverschuldeten Krise zu sprechen. Dennoch stellt sich die Frage, ob wir die mit vorwurfsvollem Unterton formulierte Forderung der Politiker nach Selbsterneuerung der Hochschulen ernstnehmen. Ich bin davon überzeugt, daß wir diese Forderung annehmen müssen. Das muß parallel erfolgen. Die Universität muß gleichzeitig bessere Studienbedingungen einfordern. Darin sind die Studenten übrigens viel zu flau.

Es gibt vieles, das die Universität aus eigener Anstrengung tun muß. Wir sind verantworlich für unsere Studienpläne, unser Lehrangebot und die Art, in der gelehrt wird. Wir müssen uns bewegen, weil nur das einen geldgebenden Gesetzgeber davon überzeugen kann, in die Hochschulen zu investieren.

taz:Heißt das unter anderem auch ein Entrümpeln von Studiengängen und Prüfungsordnungen?

Vogel:Wir stehen doch vor der Tatsache, daß sich die Wissenschaft

1in großen Sprüngen entwickelt, und daß wir gehalten sind, die Studenten und Studentinnen in unserer Ausbildung auf den aktuellen Kenntnisstand zu führen. Wenn sich das Wissen ständig vermehrt, müssen wir auswählen, wie es in einem vertretbaren Zeitraum zu schaffen ist, den Studierenden die Methoden, Arbeitsweisen und Grundlagen eines Faches zu vermitteln. Das nenne ich nicht Entrümpeln, sondern permanente Studienreform, und die muß stattfinden.

taz:Heißt Qualität der Lehre auch effizienteres Studieren, oder was bietet man den Politikern als Tauschobjekt an, wenn diese mehr Geld in die Hochschulen stecken sollen?

Vogel:Ich bin fest davon überzeugt, daß wir mehr Mittel nur bekommen, wenn wir darlegen können, wofür wir sie brauchen und daß wir sie optimal anlegen. Die Parlamente sind davon geleitet, daß Hochschulen ein Faß ohne Boden sind. Damit müssen wir leben, selbst wenn wir viele Argumente dagegen haben. Wir müssen den Parlamenten also klarmachen, daß sie ihr Geld für hochvernünftige, dringlichste und nützliche Dinge ausgeben und das bedeutet Studienreform.

Wenn unter Effienz verstanden wird, möglichst viele Studenen in einer möglichst kurzen Zeit durch die Universität zu schleusen, dann ist das ein Effizienz-Begriff, den die Universität zurückweisen muß. Unter Effizienz ist genausowenig zu verstehen, daß wir Maßnahmen wie Zwangsexmatrikulation entwickeln. Das kann eine Universität niemals hinnehmen, weil es mit der Liberalität von Denken und Einstellung nicht zu vereinbaren ist. Es ist auch nicht zu vereinbaren mit der tatsächlich bei den Studierenden vorhandenen Studienerwartung und Studierhaltung — so kritisch ich die auch beurteile. Wenn keine zusätzlichen Mittel kommen, davon bin ich fest überzeugt, werden die Ansätze zur Studienreform und zur Verbesserung der Lehre ganz schnell versanden. Daran kann niemandem gelegen sein.

Fragen: Thomas Stolper/Florian Frank

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