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„Polizei schlug mit Helmen zu“

■ Jugendliche filmten DVU-Polizeieinsatz / GEW: Verhältnismäßigkeit untersuchen

Der Polizeieinsatz gegen die Anti-DVU-Demonstration in Bremerhaven soll nach Ansicht der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) durch den Magistrat überprüft werden: Die GEW fordert, eine Kommission einzurichten, die die „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ des Einsatzes am 27.3. untersuchen soll. Außerdem verlangt die GEW die sofortige Einstellung aller Verfahren gegen die Beschuldigten.

Nach ersten Presseerklärungen von Jusos und der „Jugend gegen Rassismus in Europa“ (JRE), in denen die Brutalität des Polizeieinsatzes kritisiert worden war (vgl. taz v. 30.3.), stellten sich gestern einige Zeugen der Presse.

„Die Polizisten haben ihre Helme nicht aufgesetzt, sondern auf die Demonstranten eingeschlagen“ berichtet Julia Bettermann, eine junge Türkin sei an den Haaren auf den Boden gezerrt worden, der Polizist habe anschließend ein Büschel Haare zwischen den Handschuhen gehalten.

Gerd Riemann, einer der 26 DemonstrantInnen, die wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung angezeigt wurden, war Teil der Menschenkette, die den Bus mit einem Dutzend DVU-Mitgliedern und -Freunden an der Abfahrt zum Landesparteitag hindern wollten. „Mich hat ein Polizist längere Zeit gewürgt und so praktisch aus der Kette herausgeschleudert“, erzählt er. Ein Polizist habe ihm gedroht: „Versuch nur dich zu wehren, dann kriegst du was auf die Fresse.“ Wie Gerd Riemann dann abgeführt wird, ist deutlich in einem Videofilm zu sehen, den Sven Hönig vom JRE während der Aktion gedreht hat. Ebenfalls deutlich ist darin auch zu sehen: Ein Polizist, der auf einen Demonstranten eintritt. Auch daß Polizisten mit ihren Helmen auf die Jugendlichen einschlagen, ist im Film festgehalten. Der heftige Fußtritt, den eine andere Zeugin, eine Ausländerin, die ihren Namen nicht nennen möchte, erhalten hat, ist deutlich zu hören — kurz, nachdem das Gerangel mit dem 15jährigen Mädchen im Bild erschien.

Wenige Augenblicke später bricht der Film mit heftigem Geflimmer ab: Nach Aussagen von Filmer Hönig habe er hier auf eine heftige Prügelszene gehalten — eine Frau, die an der Mauer zusammengeschlagen worden sei. Doch diese Szene fehlt: Die Polizei hatte Video-Kamera und —Kassette beschlagnahmt, sie angeblich zum Staatsanwalt weiterreichen wollen, dann aber doch drei Tage später „als nicht so wichtig“ wieder herausgegeben.

Zur Verletzung seines Kollegen wollte der Polizeibeamte nichts sagen: Der Presse war suggeriert worden, er sei „im Rahmen der Störaktion“, also von Demonstranten, so schwer verletzt worden, daß er mit Kreuzbandriß drei Monate ins Krankenhaus müsse. Augenzeugen berichteten gestern dagegen, daß ihm ein Streifenwagen auf die Füße gefahren sei und er immer wieder gerufen habe: „Fahr doch weiter!“

Wie die Polizei ihre Strafanzeigen wegen Landfriedensbruch gegen die Jugendlichen begründet, ließ sich gestern nicht ermitteln: Der Staatsanwalt, an den die Polizei verwies, war noch nicht informiert.

Die DemonstrantInnen beteuern: „Unsere Aktion war gewaltfrei.“

ra

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