: Ungeliebte Schutzengel in Uniform
■ Die neue gegründete Berliner Gruppe der "Guardian Angels" will Vorbild für Zivilcourage sein, doch Polizei und BVG lehnen sie als
Spandau. Den guten Willen sprachen sie ihnen nicht ab, aber darüber hinaus fiel Polizei und BVG nicht Positives zu den „Guardian Angels“ ein. Sie halten den Berliner Ableger der internationalen Gruppe, der seit Anfang des Jahres besteht, nicht nur für überflüssig, sondern auch für gefährlich. Mit einer Welle von Bedenken reagierten die Behördenvertreter und der Berliner Jugendforscher Michael Kruse bei einer Diskussion der Jungen Union auf den ungebrochenen Enthusiasmus der jungen Leute. Um die Wirkung der Uniformen und das Gewaltmonopol des Staates sorgten sie sich ebenso wie um den Rechtsschutz der freiwilligen Helfer.
Vor allem die Uniformen: Die weißen T-Shirts und roten Blousons und Barette, mit denen die Guardian Angels in den U- und S- Bahnen patroullieren, sehen für den Psychologen Michael Kruse martialisch aus: „Allein durch uniformiertes Auftreten kann man die Gewaltspirale weiterschrauben“, warnte er. „Ich finde es gut, daß Jugendliche etwas gegen Gewalt Jugendlicher tun, aber dafür braucht man keine Uniformen.“ Burkhardt Opitz von der Jungen Gruppe der Gewerkschaft der Polizei unterstützte ihn mit der Einsicht, daß Uniformen „in der Regel abschreckend“ wirkten.
Das sollen sie auch, erwiderte Christian Rohr, Sprecher der Berliner Angels, und zwar auf die Gruppen, die Ärger machen wollen. Die anderen Fahrgäste könnten sich dagegen beruhigt zurücklehnen, wenn eine Gruppe mit den roten Jacken in ihrem Wagen auftauche. Daß BVG und Polizei in diesem entspannten Zurücklehnen eine zu verurteilende Abschiebung der eigenen Verantwortung sehen, leuchtet ihm nicht ein: „Viele Leute haben die Angst: Wenn ich einschreite, bin ich vielleicht der einzige. Wir zeigen ihnen: Wenn ihr helfen wollt, helfen wir auch.“ Eine Vorbildfunktion, für die die Uniformen als Erkennungszeichen notwendig seien.
Für Wolfgang Göbel, Pressesprecher der BVG, ist das Hauptproblem die Bedrohung des staatlichen Gewaltmonopols. Auch wenn die Guardian Angels sich als ganz normale Fahrgäste darstellen, die die Pflicht jedes Bürgers erfüllten, anderen in Notsituationen zu helfen, und das bis auf Extremsituationen gewaltfrei: Das Gewaltmonopol stellten die Helfer, so Göbel, automatisch in Frage – allein durch ihre Anwesenheit. Und zwar, weil sie so die Kritik bündelten, daß die Polizei allein nicht Herr der Lage würde. Göbel sah hier Parallelen zu den Truppen von Kommunisten und Nationalsozialisten in den Dreißigern.
Außerdem, so versuchte der BVG-Sprecher mit Statistiken zu zeigen, sei die Initiative der jungen Leute schlicht unnötig: Dank der privaten Wachdienste, die die BVG engagiert habe, nehme die Zahl der tätlichen Angriffe langsam wieder ab: „Auf diesem Weg müssen wir weitergehen.“ Auch das subjektive Sicherheitsgefühl werde durch die Guardian Angels nicht verbessert, ergänzte der Polizeivertreter Opitz, im Gegenteil: Eine Umfrage habe gezeigt, daß die Mehrheit der Bevölkerung die Schutzengel ablehne und sich verunsichert fühle. Für die Guardian Angels ein unwahrscheinliches Ergebnis. „Was ist Ihnen lieber“, fragt Christian Rohr, „wenn wir auf Sie zugehen und mit Ihnen reden oder wenn sie um die BVG- Wachdienste einen großen Bogen machen müssen, weil der Hund die U-Bahn-Tür verstellt und Sie der Uniformierte mit starrem Blick ansieht?“ Großen Illusionen über ihre Möglichkeiten geben sich die Guardian Angels nicht hin: „Wir können keine sozialen Probleme lösen und nicht an der Basis angreifen.“ Aber sie wollen eine Alternative zu den gewalttätigen Gangs bieten und Vorbilder sein. So wie neulich, als eine Gruppe einen Angreifer mit einem Messer faßte, entwaffnete und ihn der Polizei übergab. „Eine potentiell gefährliche Situation hat sich in nichts verflüchtigt“, sagt Christian Rohr. „Keine große Sache.“ Stefan Niggemeier
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