: Jagdeifer-betr.: "Verfolgungsjagd an Polens Ostgrenze" von Klaus Bachmann, taz vom 25.3.93
betr.: „Verfolgungsjagd an Polens Ostgrenze“ von Klaus Bachmann, taz vom 25.3.93
Der Autor vermittelt den Eindruck, er habe sich vollkommen von dem Jagdeifer seiner Gesprächspartner, die seit Stalins Zeiten für die Undurchlässigkeit der Staatsgrenzen verantwortlich sind, anstecken lassen. Das Feindbild der illegalen Wirtschaftsflüchtlinge und „Scheinasylanten“, die sich mit Hilfe teurer Schlepper noch bessere Arbeitseinkommen verschaffen wollen, wird sorgsam gepflegt: „Asylanträge werden nicht gestellt. Ein Grenzbeamter meint auf die Frage, wie er mit Asylsuchenden umgehen würde: Keine Ahnung. Sowas ist bis jetzt noch nicht vorgekommen.“ Ob den polnischen Grenzbehörden überhaupt Dolmetscher zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe sie erst in der Lage wären, einen Asylantrag überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, darüber hat sich der Verfasser offensichtlich keine Gedanken gemacht.
Daß es auch Menschen gibt, die nach Westeuropa fliehen, um politischer Verfolgung zu entgehen, verdrängt Klaus Bachmann: „Für durchschnittlich 1.500 Dollar pro Kopf hatten sie damit 29 Flüchtlinge über die Grenze geschafft, Iraner, Inder und Pakistani, die auf der Suche nach gutbezahlter Arbeit in Polen waren.“ Welche gutbezahlten Jobs mag die darnieder liegende polnische Wirtschaft gerade für Iraner, Inder und Pakistani bereithalten? Liegt es denn wirklich so fern, daß Furcht vor totalitär-islamischen Regime in Iran und Pakistan sowie vor Folter, Vergewaltigung und Ermordung in indischen Haftanstalten (s. ai- info April 1992) Menschen zur Flucht treiben?
Mit zur Abschottungsideologie gehört das heuchlerische Klagen über die Schlepperorganisationen. Gehören nicht die Fluchthelfer (so nannte man früher die „Schlepper“), die immerhin zur Rettung von Menschenleben beitragen, einem ehrbareren Berufsstand an als die Grenzbeamten, die immer noch nur ihre Pflicht tun? Auch deutsche Grenzschutzbeamte haben durch rechtswidrige Zurückweisungen von Flüchtlingen bei der Grenzkontrolle massenhaft die Verfassung gebrochen. Folter und politischer Mord in den Herkunftsländern, westliche Visa- und Protektoratspolitik nach Osten und nicht zuletzt deren gewissenhafter Vollzug durch die Grenzschützer liefern den Schlepperorganisationen die Kunden in die Hände und treiben die Preise in die Höhe. [...] Udo Sürer (geb. Maier),
Rechtsanwalt, Lindau
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