: Clinton sucht das Quadrat im Kreis
■ Ein zur "Forstkonferenz" entschärfter Umweltgipfel über den Rest des US-amerikanischen Regenwaldes soll helfen, einen "ausgewogenen Kompromiß" zwischen Wirtschaft und Umwelt zu finden
Portland (dpa) – Mit einem „ausgewogenen Kompromiß“ will US-Präsident Bill Clinton den seit Jahren schwelenden Streit um die Zukunft der urwüchsigen Regenwälder und die Arbeitsplätze der Holzfäller im Nordwesten der USA lösen. Nach einer ganztägigen Konferenz in Portland (US- Staat Oregon) mit Vertretern aller Bevölkerungs- und Interessengruppen, rief er am Samstag dazu auf, „gemeinsam einen neuen Anfang zu setzen.“ Clinton beauftragte sein Kabinett, innerhalb von 60 Tagen einen Plan vorzulegen, der die Interessen der Umweltschützer und der Holzindustrie berücksichtigt.
Die Regierung Clinton nannte das Treffen harmlos „Forstkonferenz“. Um die Konfrontation „Umweltschutz gegen Arbeitsplatz“ zu entschärfen, wurde der ursprüngliche Arbeitstitel „Umweltgipfel“ aufgegeben. Der US- Präsident wolle einen „neuen Anfang“ machen, an dem sich Bürger, Wirtschaft, Umweltschützer und Politiker gemeinsam beteiligen. Die amerikanischen Regenwälder gelten für das Weltklima und die genetische Vielfalt ökologisch als mindestens genauso wertvoll wie die tropischen Urwälder.
Im Kongreßzentrum von Portland waren die Umweltschützer angetreten, um teils nüchtern, oft leidenschaftlich, unabhängig und parteiisch, ihren Beitrag zumindest zum Beginn eines Dialogs zu leisten. Man war sich einig, daß der „Stillstand“ der letzten Jahre durchbrochen werden müsse. Da der größte Teil des rund eine Million Hektar großen noch vorhandenen Urwaldes auf Regierungsland liegt, hat Washington eine starke Handhabe dazu.
Clinton und sein Stellvertreter Al Gore, ein engagierter Anwalt des Umweltschutzes, konnten kein besseres Thema für ihre Strategie der Bürgertreffen finden. In den Staaten Oregon und Washington sind, wie der Präsident sagte, „die Gesetze des Wandels“ tatkräftig am Werk. „Ich kann sie nicht ändern.“ Es gehe darum, „es möglich zu machen, daß dieser Prozeß in einer menschlichen Weise erfolgt“. Gezielt wies der Präsident die miteinander zerstrittenen Parteien darauf hin, daß die wirtschaftlichen Veränderungen in ihrer Ecke der Welt nicht einzigartig, sondern überall anzutreffen sind. Der Konflikt ist, so gab Clinton zu verstehen, auch musterhaft für die Wahl, vor der moderne Industriegesellschaften beim Abwägen von Wirtschafts- und Umweltinteressen stehen.
Fast 90 Prozent der Regenwälder sind in der Region abgeholzt worden. Der Rest ist über eine große Fläche verstreut, wie ein „Tuch mit Löchern“, sagt ein Forstmann. Der Raubbau wurde gestoppt, als 1990 die in den Urwäldern lebende gefleckte Eule unter Artenschutz gestellt und dadurch zum Symboltier des Tauziehens wurde. In den beiden Jahrzehnten bevor dies geschah, ging die Zahl der Arbeitsplätze in der Holzindustrie von zehn Prozent der regionalen Beschäftigung auf vier Prozent (140.000) zurück – oft durch Rationalisierung. Von 1984 bis 1992 war technologischer Wandel zu einem Viertel der Grund für den Verlust der Jobs. Seit 1986 wies die Gesamtwirtschaft der Region andererseits starkes Wachstum auf, in erheblichem Maß durch High-Tech-Betriebe.
Patentrezepte hatte in Portland bei dieser Sachlage niemand anzubieten. Clinton will ein ausgewogenes, langfristiges Konzept entwickeln. Dabei geht es nicht nur um Umwelt gegen Arbeit, denn der Einschlag in den alten Wäldern entzieht auch der Fischerei die Lebensgrundlage. Dort geht es um 60.000 Arbeitsplätze, in der Holzwirtschaft nach Industrieangaben um maximal 40.000. Clinton gab Signale, wo er die Schwerpunkte setzen will: Lösungen unter enger Mitwirkung der Betroffenen, Hilfen bei der Umschulung, bessere Verwendung der Nutzwälder, Formulierung einer ökologisch-ökonomischen Gesamtstrategie. Es werde am Ende bestimmt viele Enttäuschte geben, sagte der Präsident voraus, aber: „Das Schlimmste, was wir tun können, ist, gar nichts zu tun.“
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