: Erste Entscheidung im Koalitionsstreit um Awacs
■ Bundesverfassungsgericht berät über Annahme der Organklage seitens der FDP/ Massive Vorwürfe gegen Koalition von der SPD/ Bundesgrenzschutz auf der Donau
Bonn (dpa) — Im Koalitionsstreit um den Einsatz deutscher Soldaten in Awacs-Aufklärungsflugzeugen über Bosnien wird heute eine erste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwartet. Der Zweite Senat wird über die Annahme der Organklage der FDP-Bundestagsfraktion beraten, mit der sich die Abgeordneten gegen den Kabinettsbeschluß der Unionsmehrheit wenden, Soldaten an einer militärischen Durchsetzung des UNO-Flugverbots zu beteiligen. Am Mittwoch könnte die mündliche Verhandlung folgen. Unterdessen hat die SPD-Opposition am Samstag ihre in Karlsruhe anhängige Klage gegen den Adria-Einsatz deutscher Marineeinheiten erweitert und klagt nun ebenfalls gegen die Awacs-Einsätze.
Die Bundesregierung fordert in ihrer am Samstag in Karlsruhe vorgelegten Erwiderung auf die FDP- Klageschrift, die Anträge im Hauptsacheverfahren und im Eilverfahren zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Mitwirkung deutscher Soldaten an der Durchsetzung des Flugverbots sei mit „Buchstaben und Geist des Grundgesetzes vereinbar“.
Unterdessen forderten Mitglieder der FDP-Fraktion eine Aufkündigung der Koalition als Konsequenz aus dem Awacs-Streit. Und die SPD-Opposition kritisierte das „unwürdige Spiel“ der Koalition als verfassungswidrig. Björn Engholm sprach von einem „Exempel von politischer Unfähigkeit und juristischer Unverfrorenheit“, das in der Geschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel sei. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Günter Verheugen, vertrat in der Welt am Sonntag die Ansicht, „eine entscheidungsunfähige Koalition will sich in Karlsruhe ein Gutachten erschleichen“.
Dagegen verteidigten Politiker der Koalition das vereinbarte Verfahren und warfen der SPD vor, sie blockiere die bessere und eigentlich von der Koalition gewünschte Lösung, eine Änderung des Grundgesetzes. Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) sagte der Welt am Sonntag, die Nato habe der Bundesregierung versichert, der Beschluß für die Teilnahme deutscher Soldaten an den Awacs-Missionen sei „für das Bündnis der Beweis, daß die Deutschen ein berechenbarer Partner in der Alianz bleiben wollen“.
CDU/CSU und FDP hatten sich auf den ungewöhnlichen Weg über Karlsruhe verständigt, nachdem sie in der Sache keine Einigung erzielen konnten. Nach der Koalitionsabsprache sollen die Bundeswehrsoldaten, die derzeit in den Maschinen mitfliegen, bis zu einer Entscheidung in Karlsruhe am Boden bleiben, wenn der militärische Awacs-Einsatz starten sollte.
Die Durchsetzung der Sanktionen gegen Serbien steht auch im Mittelpunkt eines heutigen Treffens der Außen- und Verteidigungsminister der Westeuropäischen Union (WEU) in Luxemburg. Unter anderem sollen etwa zehn Patrouillenboote auf der Donau stationiert werden, die verdächtige Schiffe durchsuchen sollen. Auch die Bundesregierung will Boote des Bundesgrenzschutzes (BGS) nach Ungarn und Rumänien entsenden und auf der Donau zur Überwachung des Handelsembargos einsetzen.
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