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Schneewitzchen und Prinzessin

■ Lesbische Mädchengruppe trifft sich bei den Gewitterziegen

Schneewitzchen und Prinzessin

Lesbische Mädchengruppe trifft sich bei den Gewitterziegen

„Schneewitzchen“ soll der neue Märchen-Video heißen, an dem im Mädchentreff Gewitterziegen gerade gearbeitet wird. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion aller Gruppen im Treff — und die Mädchen aus der lesbischen Mädchengruppe sind mit dabei. Obwohl Tina findet: „Eigentlich sind Märchen voll dumm — wegen der Prinzen.“ Ihr Video soll deswegen anders werden: „Da freunden sich das Aschenbrödel und die Prinzessin an.“

Tina, Jasmin, Anna und Nicole kommen fast jeden Mittwoch in die Hohentorsheerstraße. Sie sind der feste Stamm der Gruppe. Die meisten Mädchen sind um die fünfzehn Jahre alt — und lesbisch. Naja, vielleicht nicht alle. Jasmin zum Beispiel ist sich nicht sicher, sie findet: „Ich könnte ja auch herkommen, wenn ich nicht lesbisch bin.“ Von Nicole weiß sie, daß die Gruppe nett ist und viel unternimmt. Deshalb ist sie hergekommen.

„Wir sitzen hier nicht nur rum und reden“, betont Nicole, „manchmal gehen wir in die Frauendisco tanzen. Oder ins Kino. Je nachdem, worauf wir Bock haben.“ Allen Mädchen bedeutet die Gruppe viel: Ein Ort, an dem keine vorsichtig sein muß, nur weil sie lesbisch ist. Sich nicht zu verstecken, tut den Mädchen gut. Denn in der Schule sind lesbisch und schwul immer noch Schimpfwörter. Deshalb erzählt Jasmin auf ihrer neuen Schule auch nicht, daß sie lesbisch ist. „Erst mal abwarten“, meint sie.

Nicole hat es da leichter, schon weil sie weiß, daß ihre Lehrerin auch lesbisch ist. Einfach war das Coming-Out trotzdem nicht: „Es hat ganz lange gedauert, bis mich zwei Mädchen aus meiner Klasse mal gefragt haben, ob ich lesbisch bin.“ Die Nachfrage hat ihr geholfen: „Dann muß ich nicht immer erklären.“ — „Genau, alle fragen nur nach einem Freund, das ist einfach ätzend“, regt sich Tina auf, „als wären alle hetero.“

Und noch etwas ärgert Tina. Die Frage: Woher weißt du, ob du sicher lesbisch bist? — „Weil ich keine Erfahrung mit Jungen habe, fragen sie das“, sagt sie. Und fragt prompt zurück: „Aber du, woher weißt du denn sicher, daß du hetero bist — was hast du denn für Erfahrungen?“

Daß Homosexualität in der Schule kein Thema ist, finden die Mädchen blöd. Wenigstens im Sexualkundeunterricht sollte mal darüber geredet werden: „Und nicht nur über Befruchtung, das ist doch eklig“, verzieht Jasmin die Miene.

Noch steckt die lesbische Mädchenarbeit in ihren Anfängen. „Die Ignoranz in der Jugendarbeit ist groß“, sagen die Pädagoginnen Karin Dölling und Stefanie Goßens. „Aber glücklicherweise können Mädchen sich heute früher entscheiden, wie sie leben wollen — dafür setzen wir uns hier ein.“

ede

Mädchentreff, Tel. 502233. Seit dem 1. April umgezogen in die Kornstr. 100

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