: Nachschlag
■ Tanz trifft Musik im Institut Unzeit
Wie Tanz und Musik zusammenzubringen sind, war über Jahrhunderte eine klare Sache gewesen: Der bewegte Klang bot die Folie für die bewegten Körper. Der Informationsfluß war gewissermaßen klar definiert – erst die Musik, dann der Tanz obendrauf.
Die Vorstellung, daß das auch anders gehen müßte, ist mittlerweile aber auch schon ein paar Jahrzehnte alt. Im Zuge der Performance-Offensive wurde so einiges ausprobiert.
Das Kreuzberger „Institut Unzeit“ nun lud am Wochenende gemeinsam mit den „Freunden Guter Musik“ zu einer zwei Abende füllenden Aneinanderreihung von gut einem Dutzend Begegnungen dieser Art: Tänzer treffen Musiker (oder umgekehrt). Daß sich dabei die meisten Programmpunkte um die Fragestellung gemeinsamer gleichberechtigter Improvisation drehten, wurde weniger explizit erwähnt – mag sein, um den Darbietungen etwas mehr Nachdruck zu verleihen, mag sein, um eine Konkurrenz mit dem gleichzeitig im Podewil stattfindenden „Festival für improvisierte Musik“ nicht unnötig zu forcieren.
Weder musikalisch noch tänzerisch gab es dann aber viel Überzeugendes. Die meisten Musiker spielten, was sie sonst wohl auch spielen; vielleicht unter Vermeidung allzu rhythmischer Partien – um die Tänzer nicht allzusehr unter Druck zu bringen. Diese, derart der Freiheit überlassen, entschieden sich fast durchweg für lose an die Klänge angelehnte Repetition leerer Formalismen, trainierter Körperabläufe; oder aber sie versuchten, der Musik „psychische Dimensionen“ abzugewinnen – und diese dann tänzerisch umzusetzen.
Bezeichnend, daß die einzige Solodarstellung vielleicht der überzeugendste Beitrag war: Susanne Kukies, auch Mitveranstalterin des Mini-Festivals, hechelte, seufzte oder schnaufte sich mit großer Bühnenpräsenz durch ein Repertoire an Erotismen, deren ostinates Hecheln sie geschickt zu synkopieren oder mit Pausen zu versehen verstand.
Überraschendes immerhin bot der Percussionist Mirko Gargioni, der die Klangwelt gegeneinander geriebener oder sonstwie traktierter Luftballons untersuchte. Seine Tanzpartnerin konnte ihm dabei aber genausowenig Gegengewicht bieten wie die Tänzerin, die mit dem Gitarristen Michael Schuhmacher gemeinsame Sache machte. Schuhmacher überzeugte wenigstens musikalisch – durch sein Spiel zu vorfabriziertem Tonband, das höchstens durch seine Stimm- und Geräusch-Collagetechnik allzusehr an Robert Ashleys frühe Arbeiten gemahnte.
Lustig-Peinliches steuerten zwei Französinnen bei, die kurzfristig ins Programm aufgenommen worden waren. Die eine schlug eine um den Bauch hängende Trommel und sang ostinat Troubadourartiges, wozu die andere erst pantomimisch ihre Trommel nicht schlug, um später auf Hausfrauen-Volkshochschulweise arabischen Bauchtanz zu imitieren – wobei aber nicht nur ihre Hüfte statisch blieb wie ein T-Träger.
Das Institut Unzeit war dieses Mal vielleicht doch etwas zu zeitgemäß – Risiko und neue Wege blieben außen vor, und die Frage bleibt offen, ob es nicht doch noch andere Formen von Klang-und-Körper-Miteinander geben kann. Formen jenseits deutschtümelnder Psychobauchschmerz-Idylle oder rudimentärer Gymnastik zu – vielleicht allzu fremd empfundener – zeitgenössischer Improvisationsmusik. Marc Maier
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