Im Schatten des Kreuzes

Im Basketball-Play-off eifern die BG Stuttgart-Ludwigsburg und der TTL Bamberg um das Recht, Bayer Leverkusen herauszufordern  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

Zweimal haben also die einen, die Bamberger, gewonnen, zweimal aber auch die anderen, die Ludwigsburger. Und dies jeweils zu Hause. Beim fünften Mal hat nun wieder der TTL Bamberg Heimvorteil. Woraus was, bitteschön, wahrscheinlichkeitstechnischerweise zu folgern sein müßte, Terry Schofield? Gar nichts, denn: „Es ist nichts entschieden, bis es entschieden ist.“ Herausgefunden wird nun aber definitiv und heute abend, wer denn nun als Halbfinal- Play-off-Sieger dem gerne „übermächtig“ geheißenen Abonnementsmeister Leverkusen im Finale vermitteln soll, daß der Rest der Liga mehr ist als nur der Rest der Liga.

„Ich hab schon immer gesagt“, hat Ludwigsburgs Vorsitzender Günther Bullinger schon immer gesagt, „wir gewinnen im fünften Spiel.“ Und die Unterstellung, es ginge beim Vergleich zweier Topvereine aus der Südbundesliga letztlich eh nur darum, den Vizemeister zu küren, geht den Betroffenen mit fortlaufender Saison und wachsendem Erfolg immer mehr auf den Keks. „Ulm hat schließlich auch in Leverkusen gewonnen“, vergangenen Freitag im dritten Play-off, sagt Bambergs Topaufbauer Kai Nürnberger, und selbiges führt auch Bullinger eilends ins Feld, wenn es gilt, den Graben zwischen dem europaligaverwöhnten Branchenführer und mutmaßlichen Konkurrenten zuzuschütten. „Leverkusen“, sagt Bullinger, und zeigt von der Empore hinunter auf die Körbe der Ludwigsburger Rundsporthalle, „haben wir hier in den letzten drei Jahren immer geschlagen.“ Wie? „Mit unseren Mitteln.“ Die sind nun zwar mit denen der Pharma-Riesen nicht zu vergleichen, aber, es zähle, gibt zumindest der Ludwigsburger Macher die Hoffnung nicht auf, „nicht allein das Geld, sondern auch das Umfeld, die Atmosphäre.“

Letztere hat sich nach zunächst durchwachsener Saison mit eigentlich enttäuschendem Platz vier und folgendem Austausch des auch gesundheitlich angeschlagenen Trainers Dan Palmer mit seinem vormaligen Assistenten, dem Diplompsychologen Billy Brigham, nicht zuletzt dadurch verbessert – dies darf man ohne Wenn und Aber einräumen –, daß man unlängst eine sogenannte Lotterieservice- Unternehmensgruppe aus Bochum aufgetan hat, die dem Verein hilft, den Etat (etwa 1 Million Mark) der laufenden wie auch der kommenden Saison zu sichern. Des weiteren kann man sich in der VIP-Lounge, hoch oben in der Halle, mit einem bundesligaweit sponsernden Pilsener sowie einem Mineralwässerchen aus dem nahen Vaihingen/Enz abfüllen lassen. Kostenlos, versteht sich und auch dies mindestens bis Frühjahr nächsten Jahres. Mit Hilfe dieser sprudelnden Quellen möchte der basketballverrückte Bullinger, im normalen Leben Geschäftsführer einer Eisbahn, die BG „auf Dauer in der deutschen Spitze etablieren“. Dem Verein, in dem nur Körbe geworfen werden, hat man mit einer strikten Trennung von Amateur- und Profibereich so etwas wie eine professionelle Struktur gegeben, von der Stadt ist die Zusicherung da, die Kapazität der Halle demnächst um die Hälfte auf 3.000 Plätze zu vergrößern, da käme die erstmalige Finalteilnahme gerade recht.

„Das Erreichen des Endspiels“, hat sich Bullinger augerechnet, „wäre für die weitere Entwicklung sehr wichtig.“ Erstens: alle anderen Mannschaften bekämen im Sog der Profi-Erfolge Auftrieb. Zweitens: man verbessert seinen Marktanteil innerhalb der umkämpften Sportregion Stuttgart. Drittens: man verbessert die Position beim überlebensnotwendigen Ringen um die Sponsoren.

Immerhin: seit sich die Öffentlich-Rechtlichen beim Buhlen um Fußball- und Tennisrechte immer häufiger Körbe einfangen, rücken sie dafür das Werfen derselben ins redlich verdiente Licht ihrer Scheinwerfer. Mehr als acht Stunden Fernsehzeit kann die BG in dieser Runde bereits ihren einschaltquoteninteressierten Geldgebern unters Scheckheft reiben. Vor zwei Jahren waren es gerade mal mit Mühe eine.

Also, da geht was, und möglicherweise demnächst noch mehr. Zunächst aber will Bullinger in Ludwigsburg „die Sache auf eine sichere Basis stellen“. Mit den Amerikanern Baker und Montgomery hat man zwei Spitzenkräfte, die zudem mit hochklassigen Entertainerqualitäten gesegnet sind. Dazu kommen die Ex-Nationalspieler Markus Jochum und Jens Kujawa als weitere Spitzenverdiener. Der Rest wird hauptsächlich mit eigenem Nachwuchs aufgefüllt. „Der Mix stimmt“, sagt Bullinger, und war nach dem 92:83-Erfolg der Ludwigsburger am Sonntag voll des Lobes über die Leistungen beider Teams während aller vier Spiele. Drüben bei den Bambergern sprang ihm Kai Nürnberger zur Seite: „Ich glaube nicht“, meinte der im Hinblick auf ein Finale, „daß man das Niveau noch steigern muß.“ Sein Trainer Schofield dachte aber weiter: „Die Frage ist nur“, rätselte der, „ob man damit Leverkusen schlagen kann?“ Seine Antwort: „Ich weiß es nicht.“ Ob tatsächlich jemand aus dem Schatten des Bayer-Kreuzes treten kann, ist mehr als fraglich. Die näherliegende Frage ist aber erst einmal: Wer darf's versuchen? Für Günther Bullinger ist die Antwort klar: „Wer ins Endspiel will“, hat er gesagt, „muß ein Auswärtsspiel gewinnen!“ Und das kann heute abend eigentlich nur die BG Ludwigsburg.