„Das war doch alles nur Spaß“

In einem Altenpflegeheim kehren Heimleitung und katholische Kirche die sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen unter den Teppich/ Denn: Der Hausfrieden muß gewahrt bleiben  ■ Von Karin Flothmann

Ort des Geschehens: ein Karlsruher Altenpflegeheim im Dezember letzten Jahres. Als eine Pflegehelferin am Abend den Gang zwischen Speisesaal und Neubau durchqueren will, wird sie von einem Mann aufgehalten. Er attackiert die junge Frau mit sexuellen Anzüglichkeiten, preßt sie an die Wand und drückt sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen sie. Wegen Umbauarbeiten ist der Gang nur schwach beleuchtet. Die Pflegehelferin versucht, sich zur Wehr zu setzen, doch allein kommt sie nicht frei. Ihre Hilferufe alarmieren eine Mitarbeiterin. Sie kommt dazu, packt den Mann am Arm und kann die Kollegin befreien. Beide Frauen flüchten sich in das Zimmer einer Altenpflegerin. Der Mann ist ihnen kein Unbekannter. Er arbeitet schon jahrelang als Hausmeister auf dem Gelände.

Ein klarer Fall von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Doch als die drei Mitarbeiterinnen des katholischen Anna-Leimbach- Hauses in Karlsruhe die Heimleitung über den Vorfall informierten, wiegelte diese ab. „Das ist doch alles nur Spaß gewesen. Stellen Sie sich doch nicht so an“, kommentierte Heimleiter Scheuermann und weigerte sich, arbeitsrechtlich gegen den Hausmeister vorzugehen. Doch so wollte sich vor allem die Altenpflegerin nicht abspeisen lassen. Sie ging zur Polizei, und da es den Straftatbestand der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz nicht gibt, erstattete sie Anzeige wegen Körperverletzung und Beleidigung. Auch die betroffene Pflegehelferin erstattete einige Zeit später Anzeige.

Am Tag nachdem die Altenpflegerin zur Polizei gegangen war, bat der „oberste Verantwortliche in allen rechtlichen Fragen des Hauses“, Pfarrer Helmut Welsch, die drei Frauen zum Gespräch. Er forderte die Altenpflegerin auf, ihre Anzeige zurückzuziehen. Alle drei sollten Stillschweigen über den Vorfall bewahren, um den „Hausfrieden“ nicht unnötig zu stören. Und als sich die Altenpflegerin gegenüber ihrem „obersten Dienstherren“ immer noch uneinsichtig zeigte, wurde sie prompt mit sofortiger Wirkung beurlaubt.

Ein Possenstück sondergleichen. Zumal der Hausmeister auch schon andere Mitarbeiterinnen sexuell belästigt hatte. Doch dem katholischen Herrn war es bierernst mit seinem Vorgehen gegen die engagierte Altenpflegerin. Zwar wurde ihre Beurlaubung nach Protesten anderer MitarbeiterInnen zurückgezogen. Entsprechende Schritte gegen den Täter unternahm die Heimleitung jedoch erst eine Woche nachdem der Fall im Haus publik wurde. Am 7.Dezember wurde er bis auf weiteres beurlaubt. In einem Schreiben an alle MitarbeiterInnen des Hauses, in der Mehrzahl Frauen, wies Pfarrer Welsch darauf hin, er erwarte, „daß wir alle nach Kräften den Ruf des Hauses nach außen wahren“.

Daran hielten sich die MitarbeiterInnen. Erst Anfang April wandten sich einige von ihnen dann doch an die Presse. In der Zwischenzeit hatte die Betroffene ihre Anzeige wieder zurückgezogen. Die Karlsruher Staatsanwaltschaft stellte daraufhin aufgrund des fehlenden „öffentlichen Interesses“ das Ermittlungsverfahren ein – im Fall von Körperverletzung und Beleidigung eine gängige Vorgehensweise. Der Geschädigten wurde empfohlen, es über den Privatklageweg zu versuchen. Doch nachdem Heimleitung und oberster Kirchenherr sich von Anfang an massiv in den Gang des Geschehens eingemischt hatten, will die Betroffene keine weiteren Schritte unternehmen. Immerhin gibt selbst die Karlsruher Kripo zu, die Heimleitung habe ihr gegenüber mehrmals versucht, die Sache herunterzuspielen. Mit dem Hinweis, das Ganze sei doch hausintern zu regeln, wollte Heimleiter Scheuermann die Polizei dazu animieren, das Verfahren auf sich beruhen zu lassen. Ein Vorschlag, auf den sich die Kripo nicht einließ.

Heute entlockt die ganze Angelegenheit dem Heimleiter nur ein müdes Gähnen. „Ich hab' jetzt drei Monate Ruhe gehabt“, meint er süffisant, und dabei soll's bleiben. Zu weiteren Stellungnahmen sieht sich der Herr, der immerhin Sorge für mehr als 80 MitarbeiterInnen trägt, nicht in der Lage. Er verweist auf den „obersten Dienstherren“, die Kirche.

Hier hat mittlerweile ein Dekan aus Krankheitsgründen die Geschäfte des Pfarrers übernommen. Ihm geht es, ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger, darum, die Frauen im Altenpflegeheim zu schützen. „Wir wären sehr froh, wenn wir uns von dem Hausmeister trennen könnten“, meinte er noch vergangene Woche. Am Freitag tagte die von ihm einberufene Betriebsversammlung. Die Mehrzahl der MitarbeiterInnen sprach sich für eine Weiterbeschäftigung des Beschuldigten aus und meinte, man habe gute Erfahrungen mit dem Mann gemacht. Auch die betroffene Frau lenkte ein. Ob die interventionsfreudige Heimleitung im Vorfeld der Versammlung erneut „Ratschläge“ an die MitarbeiterInnen ausgab, bleibt Spekulation. Seit gestern ist jedenfalls der Zwangsurlaub des Hausmeisters wieder aufgehoben.