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Fotografien über das Sehen

■ Arbeiten von Candida Höfer in der Kunsthalle und Galerie Wilma Tolksdorf

in der

Kunsthalle und Galerie Wilma Tolksdorf

Amateurfotos versuchen vergeblich festzuhalten, Werbung konstruiert Behauptungen, Journalismus sucht die Realität: Gegen all diese Fixierungsversuche fotografiert die in Köln lebende Candida Höfer in Museen, Schulen, Bädern und demonstriert so die oft unbeachtete Beschaffenheit des öffentlichen Umraumes. Bilder über das Sehen entstehen.

Nach einem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf war die Kunstfotografin Höfer sechs Jahre Schülerin der konzeptuell und seriell arbeitenden Fotografenlegende Bernd und Hilla Becher. Das Paar prägte schon vor dreißig Jahren den Begriff der anonymen Skulptur und auch Höfer arbeitet in gewisser Weise in dieser Tradition. Alle Bildelemente zeigen sich auf ihren menschenleeren Fotos gleichgewichtig, eine Methode, mit der es der Fotografin immer wieder gelingt, Formen sichtbar zu machen, die in den Räumen ansonsten übersehen werden. „Ich wußte nicht, daß da ein Feuerlöscher hängt“ fährt es manch einem durch den Kopf, der auf einem Höfer-Foto in seiner vertrauten Umgebung plötzlich noch Neues entdeckt.

Bezeichnend an Höfers Arbeiten ist jedoch, daß die abgebildeten Orte meist auf seltsame Weise unvollkommen, ja geradezu befremdlich ungemütlich scheinen. Ziel ist dabei nicht die fotografische Bloßlegung eines Objekts, sondern die Erfassung einer durch es sichtbar werdenden gesellschaftlichen Bestimmtheit. Und so tauchen Fragen auf wie die nach den sozialen Verhaltensweisen, die in einem so pathetischen zweiläufigen Treppenhaus mit dorischen Säulen erwartet werden, wie es der Besucher in der Kunsthalle durchschreitet.

Überdeutlich wird die Diskre-

1panz von Raum und Leben in der neueren Bildserie der Fotografin, die Ansichten aus Tiergärten zeigt und in der Kunsthalle zu sehen ist. Was bei einem gelegentlichen Zoobesuch als angemessene Umgebung erlebt wird, zeigt sich im Vergleich als Anmaßung: Abgesehen von den anscheinend unvermeidlichen Gittern, was sollen Pinguine von bun-

1ten Beton-Eisschollen oder Giraffen von Zellen mit Steppenlandschaft halten?

Dank Höfers Bildregie wird so der Blick geschärft: Dem menschlichen Betrachter, nicht dem tierischen Bewohner wird die Gefangenschaft dort verklärt. Doch genau diese Methode wirft die Bilder der Fotografin nach der ersten fas-

1zinierenden Irritation auf eine Art sozialdokumentarisches Archiv zurück. So bleibt denn auch die Ausstellung in der Kunsthalle am Ende ein buntes, doch relativ trockenes Feld der Kunstdidaktik. Hajo Schiff

Hamburger Kunsthalle bis 30. Mai, Katalogbuch 30 DM, Galerie Wilma Tolksdorf, Admiralitätsstr. 71, bis 29. April

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