■ Mit EG-Subventionen auf du und du: Tabak-König stürzte
Berlin (taz) — Erst wurde der Mann versetzt, dann fiel er in Brüssel aus dem Fenster seines Büros. Die Rede ist von Antonio Quatraro, einst EG-Chefmandarin für alle europäischen Tabak- und Kartoffelbauern. Der britische Observer berichtet in seiner neuesten Ausgabe, der 59jährige Quatraro sei vor seinem plötzlichen Tod an massiven Subventionsbetrügereien beteiligt gewesen, die die Gemeinschaft im Jahr rund 300 Millionen Pfund (800 Millionen Mark) gekostet hätten.
Quatraro war von 1988 bis 1991 als leitender EG-Beamter für die Tabak- und Kartoffelpolitik der Gemeinschaft zuständig. Das heißt, er bestimmte darüber, unter welchen Umständen die 200.000 Tabakbauern im Süden der EG Subventionen für ihre Produkte bekamen. Die Summe, die die EG für die Tabakfarmer vor allem in Italien und Griechenland ausgab, stieg in Quatraros Amtszeit von 966 Millionen Ecu (1,9 Mrd. Mark) auf 1,329 Milliarden Ecu (2,65 Mrd. Mark) im Jahr 1991 — um satte 37 Prozent.
Die Subventionen pro Hektar seien für die Tabakfarmer inzwischen 35mal höher als für Getreidebauern, so der Observer. Dabei wurden weder Produktionsmengen festgelegt noch Qualitäten kontrolliert. Viele Bauern seien zu 80 Prozent subventionsabhängig.
Und wozu? Die westeuropäischen Raucherinnen und Raucher wollen das EG-Eigengewächs nämlich gar nicht anzünden. Sie bevorzugen Virginia- Tabak. Mindestens die Hälfte der jährlich 400.000 Tonnen EG-Tabak muß die Gemeinschaft deshalb zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt werfen oder, wie zuletzt, als humanitäre Hilfe deklariert nach Rußland rüberschieben.
Erst im vergangenen Jahr hatte der Haushaltsausschuß des EG-Parlaments moniert, daß der Tabak die EG immer teurer zu stehen komme, ohne daß plausible Gründe erkennbar waren. Quatraro wurde von der Kommission ohne Angabe von Gründen versetzt. Schon damals munkelte man auf den Fluren. Nach dem mysteriösen Tod des Spitzenbeamten ist das Tabuwort in Brüssel nun laut zu hören: Mafia. Der Haushaltsausschuß des EG-Parlaments plant eine Anhörung zum Thema im Mai. Wenn vorher nur nicht noch jemand aus dem Fenster fällt. ten
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