: Streit über Finanzierung von Methadon
■ Kassenärztliche Vereinigung lehnte Abrechnungserlaubnis für Methadon-Ärztin ab
Wenn Drogenabhängige in einem der beiden Bremer Methadonprogramme stecken, dann wird ihre Krankheit quasi zur „Staatssache“: Dann zahlen die Krankenkassen weder den täglichen Schluck Methadon, noch die damit verbundene ärztliche Handreichung und Behandlung. Dann muß die Behandlung mit der Ersatzdroge (rund 12,50 Mark pro 10 ml) aus den Programmtöpfen finanziert werden, die der Senat für 40 drogenabhängige Prostituierte und 50 Altfixer bereitgestellt hat. Einnahmen „auf Grund von kassenärztlichen Ermächtigungen“, wie sie der Senat im „Drogenpolitischen Sofortprogramm“ in Aussicht gestellt hat, wird es nämlich vorerst nicht geben.
KV: Es gibt genug niedergelassene Ärzte, die Methadon in ihren Praxen verteilen. Für eine Sondergenehmigung besteht deshalb kein Bedarf
Denn die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat in ihrem Zulassungsausschuß aus Ärzten und Krankenkassenvertretern einen entsprechenden Antrag gerade abgelehnt. Begründung: Bei der Methadonvergabe handele es sich um eine Leistung, die von etlichen niedergelassenen Ärzten in Bremen erbracht würde. Damit bestünde, so KV-Sprecher Franz-Josef Blömer, „kein Bedarf“. Eine Sondergenehmigung (Fachbegriff laut Zulassungsverordnung für Vertragsärzte: „Ermächtigung“) zur Abrechnung mit den Krankenkassen sei deshalb nicht gerechtfertigt.
Das sieht Petra Gerwin allerdings ganz anders. Sie ist die Ärztin, die in Trägerschaft des „Vereins für Akzeptierende Drogenarbeit“ seit 12 Wochen im Methadonprogramm für Prostituierte arbeitet und den personengebundenen Antrag formal stellte: „Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Leistung, die erbracht werden kann und der Realität.“ Denn für viele Drogenabhängige findet sich kein niedergelassener Arzt: entweder, weil das auf durchschnitt
Versorgungsbus der Bremer Hilfe für Prostituierte in der FriesenstraßeFoto: Katja Heddinga
lich zehn Methadon-Patientinnen begrenzte Kontingent pro Praxis erfüllt oder weil die Patientin aufgrund ihres Verhaltens in der Praxis „nicht erwünscht“ ist. Petra Gerwin wird deshalb mit ihrem Ermächtigungsantrag in die nächst höhere Instanz, vor den Berufungsausschuß der Kassenärztlichen Vereinigung, ziehen. Dann wird ein Richter dem paritätisch aus Ärzten und Kassenvertretern bestehenden Gremium vorsitzen und zu entscheiden haben, ob es nicht doch Methadonfälle gibt, die eine Ermächtigung rechtfertigen. Prinzipiell sind Kassen und niedergelassene Ärzte verpflichtet, die ambulante Versorgung sicherzustellen.
„Sie kommen mir gerade recht“, reagierte Maren Belke von der „Aidshilfe“ gestern spontan auf die taz-Frage nach Schwierigkeiten, Ärzte für ihre KlientInnen zu finden. Maren Belke hatte gerade den Vormittag damit verbracht, für eine Drogenabhängige mit starkem Beigebrauch und HIV-Infektion die 50 Adressen einer Liste mit „substitutionswilligen“ Ärzten abzuklappern — ohne Erfolg. Woher die bekanntermaßen schwierige Patientin,
hier bitte das Busfoto
von ihrem Arzt vor die Tür gesetzt, künftig ihr Polamidon bekommt, ist ungewiß: Das Methadonprogramm in der Schmidtstraße ist voll, das für Altfixer ebenfalls, obwohl es erst nach Ostern anläuft.
„Wir müssen zwei bis drei PatientInnen pro Woche wegschicken“, bestätigt Dr. Detlef Schäfer, einer der „Methadonärzte“ mit großer Praxis (ca. 30 Substituierte) das Dilemma der Niedergelassenen. Die meisten Kollegen würden nicht mehr als 5 bis 6 PatientInnen zur Methadonbehandlung aufnehmen bzw. in ihren Praxisbetrieb integrieren können oder wollen. Angesichts problematischer Patienten (mit Beigebrauch) und erfüllter Kapazitäten der Praxen ist für Schäfer die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung deshalb „unverständlich“.
Auch Dr. Gert Schöfer, für die Methadonprogramme zuständiger Referent in der Gesundheitsbehörde, sieht durch die niedergelassenen Ärzte den Bedarf keineswegs gedeckt. Es sei auch nicht einzusehen, warum Patienten mit Anspruch auf kassenärztliche Leistung durch die Sonderprogramme finanziert werden sollen. Schöfer setzt auf den Berufungs
ausschuß. Falls auch dieser Versuch scheitert, bleibt noch die Klage vor dem Sozialgericht.
Die Abrechnung mit Krankenkassen könnte die staatlichen Programme erheblich entlasten. Nach Einschätzung der Ärztin des Prostituierten-Projektes ist rund die Hälfte ihrer Klientinnen so krank, daß sie auch nach den allgemeinen Behandlungsrichtlinien Methadon erhalten könnten. Mit den gesparten Mitteln könnten die Sonderprogramme (Schöfer: „in Qualität und Quantität“) verändert werden.
Konzeptionell ist die Methadonvergabe über staatlich finanzierte ÄrztInnen der Einstieg in die gesundheitliche Versorgung der jeweiligen Zielgruppe. Ziel sei, so Schöfer, die PatientInnen soweit zu stabilisieren, daß sie möglichst bald in normale Praxen überwiesen werden könnten. Birgitt Rambalski
Berichtigung: Im taz-Bericht vom 2.4. „ Nicht mehr Drogentote“ wurde für Bremen-Stadt eine falsche Zahl genannt: Es waren 62 (nicht 51) Drogentote, die 1991 und '92 gleichbleibend registriert wurden.
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