: Berlin schenkt Bonn den Republik-Palast
■ Senat will auf Eigentumsansprüche am Preußenbesitz verzichten / Brandenburg vertritt „völlig konträre Auffassung“
Berlin. Um der Bundesregierung den Umzug nach Berlin schmackhaft zu machen, hat sich der Senat eine weitere Morgengabe ausgedacht. Das Land Berlin wird auf seinen Eigentumsanspruch an einer ganzen Reihe von repräsentativen Bauten und zukünftigen Ministeriumsstandorten verzichten und sie dem Bund überlassen. Dazu gehören der Palast der Republik, das ehemalige Außenministerium der DDR, das Kronprinzenpalais, das ehemalige Volksbildungsministerium in der Otto-Grotewohl-Straße, das ehemalige Justizministerium in der Clara-Zetkin-Straße. Auch die Münze, in die das Bundesjustizministerium ziehen will, die geologische Bundesanstalt in der Invalidenstraße, die zukünftig das Bundesbauministerium nutzen will, sowie das Schloß Niederschönhausen zählen dazu.
All diese Anliegen gehören zu den rund 270 Grundstücken in Berlin, die ehemals Eigentum des Landes Preußen waren und die deshalb seit der deutschen Vereinigung 1990 zwischen dem Land und dem Bund strittig sind. Berlin beruft sich in dieser Auseinandersetzung auf das Grundgesetz. Dieses spricht in Art. 135, der die Rechtsnachfolge von Ländern regelt, „das Vermögen des Landes, dem das Gebiet angehört hat, dem Land zu, dem es jetzt angehört“. Der Bund hingegen hat im Einigungsvertrag festgelegt, daß die Nutzung zum Zeitpunkt der deutschen Vereinigung entscheidend sei.
Bislang wollten beide Seiten die Klärung dieser strittigen Frage den Gerichten überlassen. Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) ist nun jedoch zu einer „neuen Überlegung“ gekommen. Wie sein Sprecher Thomas Butz erläuterte, soll „in den Fällen, in denen die Rechtsstandpunkte der beiden Seiten übereinstimmen und die im Zusammenhang mit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin von Bedeutung sind“, die entsprechenden Gebäude an den Bund geben. Damit wolle man den Berlingegnern den Wind aus den Segeln nehmen, für die die ungeklärten Eigentumsverhältnisse ein Vorwand für eine Verzögerung des Umzuges sein könnten.
Nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden des Bündnis 90/Grüne, Wolfgang Wieland, begibt sich das Land Berlin damit gegenüber dem Bund wiederum in die Situation des Erpreßten. Der Schritt des Finanzsenators sei „scharf zu verurteilen“.
Die Finanzverwaltung begründet ihr plötzliches Einlenken rechtlich damit, daß nun auch für sie wie für den Bund die hoheitliche Ordnung zum Zeitpunkt der deutschen Vereinigung entscheidend sei, also die Frage, wie die jeweiligen Liegenschaften am 3. Oktober 1990 genutzt wurden. Wenn ein Gebäude bundeshoheitlich weitergenutzt wurde, so Butz, dann gehöre es dem Staat.
Im Nachbarland Brandenburg, das die gleichen Auseinandersetzungen mit dem Bund führt, stößt dieser plötzliche Gesinnungswandel der Berliner auf Unverständnis. Wie der Sprecher des Finanzministeriums, Henning Schmidt, gegenüber der taz erklärte, habe sein Haus eine „völlig konträre Auffassung“ zur Rechtslage. Entscheidend für den Eigentumsanspruch an dem Preußenbesitz sei nicht die Nutzung zum Stichtag 3. Oktober 1993, sondern die Frage, wer Rechtsnachfolger Preußens ist. Und bei der Antwort gehe, so versicherte Schmidt, das Grundgesetz immer noch vor dem Einigungsvertrag. Ein entsprechendes Rechtsgutachten wird die brandenburgische Landesregierung in den nächsten Tagen vorlegen. Die Brandenburger wie auch die Berliner können sich in ihrer Position zudem auf die bestehende Gesetzeslage berufen. Bereits 1952 wurde durch Bundesgesetz den alten Bundesländern das Eigentum an Preußens Besitztümern zugesprochen. Und was den alten Bundesländern recht war, so die Parole zumindest in Potsdam, soll den neuen billig sein.
Bei der zuständigen Bundesvermögensverwaltung wird die Berliner Offerte begrüßt. Damit gehe, so stellt der Sprecher der Behörde, Jochen Kallabis, klar, auch die Nutzung der Gelände auf den Bund über. Dies dürfte vor allem beim bislang noch umstrittenen Palast der Republik von Bedeutung sein, an dessen Stelle der Bund sein Außenministerium bauen will. Dafür, daß es seine Ansprüche aufgibt, wird das Land ein Trostpflaster erhalten. Selbstverständlich, so Kallabis, würden die Abrißkosten für den Palast ebenfalls auf den Bund übergehen. Dieter Rulff
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