Eine Geldstrafe ist ein falsches Signal

■ Oberstaatsanwalt Carlo Weber zur Durchsuchung eines besetzten Hauses in Friedrichshain / Berufung gegen Urteil für Olympia-Gegner / Haftstrafe avisiert

Oberstaatsanwalt Carlo Weber (41) leitet das Dezernat 81, das für „Gewalt-, Staatsschutz- und Friedensdelikte“ zuständig ist. In den Aufgabenbereich fallen auch „schwere oder kollektive Straftaten in oder aus besetzten Häusern“. Weber, der in früheren Zeiten der politischen Staatsanwaltschaft angehörte, ordnete am vergangenen Sonntag die Entfernung eines Anti- Olympia-Transparents in einem besetzten Haus (Schreinerstraße 47) in Friedrichshain an.

Kürzlich hatte seine Behörde außerdem dafür gesorgt, daß drei Olympia-Gegner zwei Wochen in Untersuchungshaft verbringen mußten. Sie hatten Mitte März bei einer Bank in Pankow die Scheiben eingeschmissen. Am selben Abend waren außerdem weitere 28 Filialen im gesamten Stadtgebiet von Olympia-Gegnern beschädigt worden.

taz: Nach Ihren letzten Anordnungen – der Durchsuchung eines besetzten Hauses in der Schreinerstraße 47 und Untersuchungshaft für drei Olympia-Gegner – hat man den Eindruck, Ihr Dezernat verstehe sich als verlängerter Arm der Olympia-GmbH.

Carlo Weber: Dieser Eindruck ist schlichtweg falsch.

Glauben Sie nicht, daß Ihr hartes Durchgreifen die Olympia- Gegner eher stärkt?

Als Jurist stelle ich mir nicht diese Frage. Offizialdelikte müssen verfolgt werden. Es bleibt Politikern vorbehalten, ob dieser oder jener Einsatz taktisch klug gewählt wurde, ob dadurch möglicherweise die Bewerbung der Stadt gefährdet wird. Mir geht es allein um die Einhaltung der Rechtsordnung – um nichts anderes.

Auf welche rechtliche Grundlage stützten Sie den Einsatz in der Schreinerstraße?

Es bestand der dringende Tatverdacht, daß mit dem Transparent öffentlich zu einer kollektiven und schweren Straftat – in diesem Fall der Körperverletzung – aufgefordert werden sollte. (Der Slogan des Transparents „Olympia-Bonzen angreifen – Aktionstage 17.-21. April“ bezog sich auf den anstehenden Besuch einer Prüfungskommission des Internationalen Olympischen Komitees – die Red.) Das Transparent muß darüber hinaus im Zusammenhang mit dem vor einigen Wochen der Presse zugespielten Strategiepapier autonomer Gruppierungen – soweit es um Olympia geht – gesehen werden.

Rechtfertigt ein einziges Transparent denn ein derartig hartes Durchgreifen?

Ja. Wir haben das Problem doch auch im rechten Bereich, etwa mit Hakenkreuzfahnen. Erst vor wenigen Wochen wurde die Polizei in Ostberlin mit einem Luftgewehr beschossen, als sie eine solche Fahne von dem Balkon einer Mietwohnung holen wollte. Da würde sich niemand diese Frage stellen. In dem Fall der Schreinerstraße hatten wir es aber mit einem besetzten Haus zu tun, von dem man zumindest kollektiven Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen erwarten mußte. Daher war die polizeiliche Vorsorge und Taktik vollauf berechtigt. Wir können doch nicht rechtsfreie Räume zulassen, nur weil mit kollektivem Widerstand zu rechnen ist.

Werden Sie gegen Transparente, die aus besetzten Häusern hängen und Ihrer Meinung nach zu kollektiven Straftaten aufrufen, auch künftig ähnlich hart wie im Falle der Schreinerstraße vorgehen?

Damit muß in der Tat gerechnet werden.

Sind die Durchsetzung der U-Haft gegen drei Olympia-Gegner und die Aktion in der Schreinerstraße Teil eines präventiven Konzeptes Ihrer Behörde?

Im engeren Sinne: Nein. Untersuchungshaft dient allein der Sicherung eines Strafverfahrens und ist nur unter diesem Gesichtspunkt angeordnet worden. Ich verkenne natürlich nicht, daß von solchen Maßnahmen auch eine abschreckende Wirkung ausgehen kann. Aber sie ist nicht das Motiv meines Handelns und liegt schon gar nicht dem Gesetz zugrunde.

Sie haben sich im Verfahren gegen die drei Olympia-Gegner stark exponiert. Halten Sie die verhängten Strafen für zu niedrig?

Bei zweien der Täter, die zu Jugendarrest verurteilt wurden, hat das Gericht sehr wohl erkannt, daß es um eine Sachbeschädigung ging, die aus dem privaten Rahmen fiel. Hierbei handelte es sich ja um eine konzertierte Aktion, um eine massive Herausforderung des Staates, bei der in einer Nacht 29 Bankfilialen nicht unerheblich beschädigt wurden. Demgegenüber steht die Geldstrafe für den erwachsenen Täter in keinem vernünftigen Verhältnis. Vor dem Landgericht haben wir bereits Berufung eingelegt, um eine sechsmonatige Haftstrafe zu erreichen. Die jetzt ausgesprochene Geldstrafe über 150 Mark kann nicht die richtige Botschaft sein. Das hieße doch, den Olympia-Gegnern zu signalisieren: Soweit ihr Jugendliche seid, müßt ihr mit Freiheitsentzug rechnen, aber soweit es sich bei euch um Erwachsene handelt, kriegt ihr eine Strafe, die einem Taschengeldentzug gleichkommt. Interview: Severin Weiland