■ Ökolumne: Participation overkill Von Joachim Spangenberg
Frage:Was haben die zentrale Kommission für biologische Sicherheit, die paneuropäische Umweltministerkonferenz, die Planung des Rhein-Main-Donau- Kanals und die Umwelt- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen gemeinsam?
Antwort:Die Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen, zum Beispiel Umweltgruppen, neudeutsch kurz NGOs genannt.
Frage: Was hat die Arbeit der NGOs in diesen sehr unterschiedlichen Feldern gemeinsam?
Antwort:Das Mißverhältnis von Aufwand und Ertrag.
Die Teilnahme an den regierungsamtlichen Vorbereitungen auf den UNCED-Gipfel im vergangenen Jahr in Rio de Janeiro hat einen Umweltverband wie den BUND zwei volle Arbeitsjahre eines/r Mitarbeiters/in plus die entsprechenden Spesen gekostet. Mit vergleichbarem Aufwand hätte der BUND auch eine bundesweite KliFoto: privat
ma-Kampagne durchführen können. Das Bundesumweltministerium hat für den UNCED-Nachfolgeprozeß eine vergleichbar breite Beteiligung der Verbände „angedroht“.
Die Einbindung von Nichtregierungsorganisationen in die staatliche Entscheidungsfindung, lange als Demokratisierungsschritt eingefordert, nimmt derzeit geradezu inflationäre Ausmaße an. Das Interesse von Staat und Wirtschaft: Umweltverbände haben relativ wenig Geld, aber viel Glaubwürdigkeit und eine gute Presse. Ihre Einbeziehung stärkt die Legitimation von Gremien, auch ohne daß auf die Meinung der Umweltverbände viel Rücksicht genommen würde.
In der Politik redet niemand mehr über Perspektiven. Gerade wo sich Politik heute selbst zum verlängerten Arm der Verwaltung degradiert, wird es aber gefährlich für Umweltorganisationen: wenn die Ökologen nur noch darüber reden sollen, wie das vermeintlich Unvermeidliche getan werden kann, nicht aber mehr darüber, was getan werden müßte, verlieren sie ihr einziges Kapital, die öffentliche Glaubwürdigkeit. Die Umweltgruppen werden von der Politik in die Rolle einer Verwaltung gedrängt, die auch die Politiker selbst eingenommen haben. Verwaltungen aber reden nur mehr über Einzelfallösungen.
Angesichts der schon erwähnten zeitlich und finanziell begrenzten Ressourcen kann es für NGOs nur eine Schlußfolgerung geben: sie können sich den olympischen Geist – „Dabeisein ist alles“ – nicht mehr leisten, sie müssen jetzt lernen, das zu verweigern, was sie immer gefordert haben: die Beteiligung an jeder noch so marginalen Entscheidung.
Dabei können und dürfen die Verbände auf mehr Öffentlichkeit in den Verwaltungen nicht verzichten – bis zum endgültigen Ende des Obrigkeitsstaates. Sie dürfen aber nur noch in Gremien mitmachen, in denen ihnen eine ernsthafte Mitsprache eingeräumt wird und die politische Entscheidungen wirklich beeinflussen. Schließlich müssen die Öko-Lobbyisten lernen, genauer hinzusehen, wann ihre Beteiligung am vielversprechendsten ist. Es gilt einerseits das Gorbatschow- Axiom: wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Doch auch wer zu früh kommt, kann seine Handlungsfähigkeit verlieren.
Das bedeutet den Mut zur Lücke, und es bedeutet den Verzicht auf Alleinvertretungsansprüche; es erfordert eine gezielte, abgesprochene und verläßliche Arbeitsteilung – eine Vorgehensweise, die schon viele gefordert, die aber noch keiner so richtig begonnen hat. Notwendig ist aber auch ein Selbstverständnis, daß immer da, wo Umweltverbände dem Staat als Consultants dienen, eine angemessene Vergütung erfolgen muß oder das Ausscheiden der Verbände nicht nur angedroht, sondern auch vollzogen wird. So erst hätten die Umweltorganisationen ihren Teil getan.
Dann sind die Bürgerinnen und Bürger gefordert. Ihre Unterstützung für die Ökologen hat heute schon die Form des modernen Ablaßhandels: Die besorgte Mehrheit delegiert das Problem an das engagierte Prozent, die Mitglieder der Verbände, die es wiederum an das aktive Promille weiterreicht. Das aber wird auf die Dauer nicht reichen; wer nicht selbst tut, was er getan haben will, wird bald sehen müssen, daß es nicht getan wird.
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